Uni-Pakt: Seelenruhe dank Schrumpfen
Die Universität erhält Budgetsicherheit, aber kein Geld für höhere Tarife oder Master-Quoten. Präsident Dieter Lenzen findet das "bitter".
Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) und Uni-Präsident Dieter Lenzen haben einen Pakt unterzeichnet, der der Hochschule "Budgetsicherheit" bis 2020 verschaffen soll. Dabei bestätigt sich die Berichterstattung der taz: Die Uni bekommt nicht mehr Geld, der Etat schrumpft nur weniger stark als angekündigt.
Ab 2013 kann die Uni mit 280 Millionen Euro jährlich rechnen. Darin enthalten ist neben dem Grundetat - 244 Millionen - auch Geld, das bisher aus anderen Töpfen kam: rund 20 Millionen Euro Ersatz für ausbleibende Studiengebühren sowie einmalig Mittel für die Tarif-Steigerungen in diesem und dem nächsten Jahr, dazu Geld für kleinere Baumaßnahmen.
Dieser Etat wird getreu der Spardevise des Senats bis 2020 nur noch jährlich um 0,88 Prozent angehoben. Doch Uni-Chef Lenzen rechnet nun neu: Weil sich die 0,88 Prozent nicht auf 244 Millionen Euro Etat bezögen, sondern auf 280 Millionen, liege die Steigerung tatsächlich bei 1,3 Prozent. Bleibe bei zwei Prozent Inflation immer noch ein Minus von jährlich 0,7 Prozent. "Das ist bitter", so Lenzen. Dagegen stehe ein Vorteil: Planungssicherheit.
Kommt es nach 2013 zu Tarifsteigerungen, muss die Uni diese aus dem eigenen Etat finanzieren. Das gilt auch für neue Master-Plätze: Jeder Bachelor-Absolvent kann künftig auf Masterabschluss studieren. Reichen die bisherigen Plätze dafür nicht aus, werden Bachelor-Kapazitäten umgewandelt, was Lenzen zum Bild der "kommunizierenden Röhren" verleitet. Allerdings müssen diese Kapazitätsänderungen jeweils mit der Behörde vereinbart werden.
Der "Zukunftspakt" enthält Notausgänge: Steigt etwa die Inflation "längerfristig", kann neu verhandelt werden. Das gleiche gilt, falls die Bürgerschaft ein geringeres Budget bewilligt. Dieser Vorbehalt bestehe "aus haushaltsrechtlichen Gründen", heißt es in der Vereinbarung, die in ähnlicher Weise jetzt auch mit den übrigen Hochschulen abgeschlossen wird.
Neu ist auch, dass der Anteil des Budgets, der nach Leistung vergeben wird, von ehemals 14 auf ein Prozent reduziert wird. Damit werde "Leistungsdruck verringert" sagte Lenzen, der nicht verbarg, dass er sich größere Sprünge wünschen würde. Eine Schließung von Fächern und Studiengängen sei jetzt zwar abgewendet. Eine Perspektive "in Richtung Wettbewerbsfähigkeit mit anderen großen deutschen Universitäten" sei so aber nicht möglich. Dafür wären 40 bis 50 Millionen Euro zusätzlich nötig.
Dorothee Stapelfeldt und der ebenfalls bei den Verhandlungen beteiligte Senatskanzlei-Chef Christian Krupp (SPD) erklärten dagegen, dass Hamburg mit diesem Pakt der Wissenschaft schon "Priorität" einräume. Immerhin werde mehr Geld für Professoren als für Polizei ausgegeben.
Es sei wichtig sei, die derzeit für die Doppel-Abiturjahrgänge geschaffenen zusätzlichen Studienplätze langfristig zu erhalten, sagten Stapelfedlt und Krupp. Nötig sei dafür aber ein neuer "Hochschulpakt III", den vom Bund finanziert weren müsse.
Auch Lenzen rechnet in den nächsten Jahren mit "Zuflüssen von außen" wie Drittmitteln für die Forschungsförderung. Der dritte Hochschulpakt für neue Studienplätze sei schon "ausgemachte Sache".
Die GAL-Hochschulexpertin Eva Gümbel findet es bedauerlich, dass der Senat die Mittel für Hochschulen nicht aus eigener Kraft aufstockt. "Der Senat gibt der Uni keine Entwicklungsperspektive", sagte sie. Durch die Art der Finanzierung neuer Master-Plätze werde die Uni gezwungen "sich selbst zu kannibalisieren".
Auch der FPD-Politiker Wieland Schinnenburg sprach von "wenig Licht und viel Schatten". So werde nichts gegen die jahrelange Unterfinanzierung der Uni getan, obwohl Stapelfeldt diese als Oppositionspolitikerin "früher ständig beklagt hat".
Die GEW sprach von "neunjähriger Stagnation". Wem die Uni wirklich am Herzen, der könne mit dem jetzigen Stand der Dinge nicht zufrieden sein, sagte Fachsprecher Fredrik Dehnerdt.
Der CDU-Hochschulpolitiker Thilo Kleibauer lobte, dass die SPD sich etwas bewegt habe. Die Hochschulen würden aber immer noch nicht mit der nötigen Priorität behandelt: "Während die Vereinbarungen zum Wohnungsbau vom halben Senat unterzeichnet werden, steht Frau Stapelfeldt bei den Universitäten alleine da." Eine klare Aussage des Finanzsenators zur Hochschulfinanzierung gebe es nicht.
Leser*innenkommentare
Makita
Gast
Auf der uniweiten Vollversammlung an der Uni Hamburg wurde im Zusammenhang mit der Vereinbarung zwischen Präsidium und Senat eine lesenswerte Resolution diskutiert und beschlossen:
Resolution der uniweiten Vollversammlung am 24.10.2011
Kampf um die Zukunft? – Kampf für die Zukunft!
Die gruppenübergreifende Vollversammlung der Universität Hamburg fordert die Bürgerschaft auf, sich in den Beratungen des Haushalts für eine echte solide Finanzierung der Hamburger Hochschulen einzusetzen und für die Zukunft der Universitäten zu stimmen!
Für eine echte Wende in der Haushalts- und Wissenschaftspolitik!
Auf den massiven Druck der uniweiten Proteste im letzten Semester hat der Senat bereits reagiert. Senat und Uni-Präsidium haben eine langfristige Vereinbarung zur Finanzierung der Uni verabredet, die Planungssicherheit verspricht. Studiengänge und Fächer müssen daher nicht geschlossen werden. Für das Studierendenwerk konnte eine teilweise Rücknahme der Kürzungen erreicht werden. Die Notwendigkeit einer Bologna-Revision und die Möglichkeit eines eins-zu-eins Übergangs von Bachelor zu Master werden politisch anerkannt. Die Abschaffung und fast vollständige Kompensation der Studiengebühren wird – wenn auch erst im Wintersemester 2012 – erfolgen.
Aber: Wir fordern eine echte Wende in der Wissenschaftspolitik. Wir bekräftigen daher unsere Forderung der letzten uniweiten Vollversammlung am 30.06.2011:
„Entgegen der gefährlichen Entwicklungen in der Bildungspolitik fordert die gruppenübergreifende Vollversammlung eine nachhaltig bedarfsdeckende, öffentliche Finanzierung der Bildung, Wissenschaft und Forschung und damit für die Zukunft unserer Stadt.“
Wir bekräftigen die Forderung, die jährlichen staatlichen Zuschüsse für die Hamburger Hochschulen ab sofort um 80 Mio. Euro zu steigern, um die Hamburger Hochschulen durch öffentliche Mittel solide und bedarfsgerecht zu finanzieren. Eine solide Finanzierung von Bildung und Forschung darf dabei nicht bedeuten, dass der Senat das reale Budget der Uni durch den Faktor Inflation weiterhin kontinuierlich absinken lässt. Eine solide Finanzierung darf nicht bedeuten, dass die über Jahrzehnte betriebene Unterfinanzierung ignoriert und hingenommen wird. Sie schließt auch jeden Stellenabbau aus. Ebenso bedeutet eine solide Finanzierung die sofortige Abschaffung von Studiengebühren und schließlich darf sie auch nicht bedeuten, dass die notwendigen Reformen der Bachelor-/Master-Studiengänge und die weitere Demokratisierung der Hochschulen halbherzig durchgeführt werden. Ein eins-zu-eins Übergang vom Bachelor zum Master ist erforderlich. Er darf nicht auf Kosten von Bachelor-Studienplätzen gehen, sondern muss Teil der sozialen Öffnung der Hochschulen sein.
Eine solide Finanzierung bedeutet, dass die Aufgaben der Bildung, Forschung, Lehre und Selbstverwaltung an den Hamburger Hochschulen nachhaltig und frei von Mängeln wahrgenommen werden können. Auch das Studierendenwerk muss endlich bedarfsgerecht finanziert werden. Hervorzuheben ist dabei die Bedeutung der Universität für die gesamte Gesellschaft:
„Die Universität will einen Beitrag zur zivilen, ökologisch nachhaltigen, sozial verantwortlichen und demokratischen Entwicklung der Gesellschaft leisten.“ (Beschluss des Akademischen Senats am 12.05.2011).
„Die Universität will sich der Herausforderung stellen, Perspektiven für gestaltendes Eingreifen in gesellschaftliche Entwicklungen zu eröffnen, anstatt lediglich bestehende Gegebenheiten nachzuvollziehen.“ (Stellungnahme des Akademischen Senats am 27.6.2011)
Eine starre Politik, die sich auf die „Schuldenbremse“ als vermeintlicher Sachzwang zurückzieht und bei Bildung, Sozialem und Kultur kürzt, schränkt die vom Akademischen Senat genannten Aufgaben ein und ist deshalb falsch. Als Alternative steht ihr „der zivilisatorische Nutzen sozial offener Hochschulen, demokratischer Bildung und unabhängiger Forschung“ (Stellungnahme des Akademischen Senats am 27.6.2011) gegenüber. Unsere Forderungen nach einer besseren Finanzierung stehen dabei nicht im Gegensatz zu anderen grundlegenden Interessen der Bevölkerung. Im Gegenteil: Es geht um die Freiheit von Bildung und Kultur, wir wollen im Sinne des Gemeinwohls die Gesellschaft mitgestalten. Dies beinhaltet auch, dass eine bessere Finanzierung nicht zu Lasten anderer gesellschaftlicher Belange gehen darf.
Daher ruft die uniweite Vollversammlung alle Studierenden, Mitarbeiter*innen, Lehrenden und Präsidien der Hamburger Hochschulen, aber auch alle Hamburger Bürger*innen auf, die bisher erkämpften Fortschritte als Zeichen zum Aufbruch zu erkennen, um gemeinsam und entschlossen für eine nachhaltige und demokratische Entwicklung der Hochschullandschaft in Hamburg einzutreten. Das beinhaltet u.a.: sofortige Abschaffung aller Bildungsgebühren – auch Verwaltungsgebühren, eine umfassende Redemokratisierung der Hochschulen im Rahmen der Novellierung des Hamburger Hochschulgesetzes (HmbHG), Finanzierung von Masterplätzen für alle, Abschaffung der Module und Modulfristen, Öffnung der Hochschulen auch für Menschen ohne Abitur und weiterer Punkte, die in den folgenden Wochen erarbeitet werden. Als Auftakt dafür rufen wir alle dazu auf, die durch die Studierenden organisierten Aktionswoche vom 24.10. - 29.10. zu gestalten, um Bedarfe und Handlungsperspektiven aufzuzeigen und gemeinsam weitere Forderungen zur Gestaltung von Universitäten zu formulieren und zu verwirklichen.
Quelle: http://www.asta-uhh.de/home/home-detail/article/resolution-der-uniweiten-vollversammlung-vom-241011.html