: Ungeeignet für Lagerkämpfe
betr.: „Union weiter gegen Volksabstimmungen“, taz vom 20. 4. 02
Der Bundestag entscheidet am 6. Juni auf Antrag von SPD und Grünen über einen Gesetzentwurf zur Einführung des bundesweiten Volksentscheids. Eine so weit gehende Änderung des politischen Systems der Bundesrepublik wie die Einführung direkt-demokratischer Elemente auf Bundesebene sollte allerdings nicht kurz vor der Wahl mit der Brechstange, sondern in aller Ruhe im Konsens aller demokratischen Parteien nach einer intensiven öffentlichen Diskussion beschlossen werden. Eine Verfassungsänderung, die von den einen vorgelegt und von den anderen nur noch abgenickt wird, wäre ein unglücklicher Start für eine an sich sinnvolle Ergänzung des repräsentativen Systems durch direkt-demokratische Elemente.
Zwar ist es bedauerlich, dass die Unionsfraktion vor Jahresfrist ein Gesprächsangebot der Regierungsfraktionen zur Formulierung eines gemeinsamen Gesetzentwurfes ausgeschlagen hat, aber ein neuer Anlauf nach der Bundestagswahl wäre wichtiger und sinnvoller, als Profilierungsversuche der Bundesregierung im Wahlkampf. Die Union trägt Ängste und Vorbehalte eines gewissen Bevölkerungsanteils in die Diskussion, die nicht unbeachtet bleiben dürfen. Würde man die Abstimmung im Bundestag freigeben, würde sich zeigen, dass auch gar nicht wenige Sozialdemokraten und Grüne gegen Volksentscheide sind, während aus dem Unionslager auch Ja-Stimmen kämen. Das Thema Direkte Demokratie eignet sich nicht für Lagerkämpfe und sollte dafür auch nicht missbraucht werden. THORSTEN STERK
Landesvorstand Mehr Demokratie e. V. NRW
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