Ungarns Anti-Pride-Gesetz: Grauer Protest für ein buntes Ungarn
Viktor Orbán will Pride-Teilnehmer kriminalisieren. Demonstrierende gehen gegen die ungarische Regierung in Budapest auf die Straße.
Die Parade begann und endete am gut gefüllten Heldenplatz in der Budapester Innenstadt. Organisiert wurde sie von der 2014 als Satireprojekt gegründeten „ungarischen Partei des zweischwänzigen Hundes“. Viele Teilnehmer*innen schwenkten Fahnen mit grauen Regenbogensymbolen und dem ironischen Slogan „Gray Pride“ statt „Gay Pride“ – ein Verweis auf das einheitliche und verengte Gesellschaftsbild der Regierung.
Im Zuge der Demo meldete sich auch Péter Magyar, Anführer der oppositionellen Tisza-Partei, zu Wort. „Gibt es etwas Peinlicheres als die Tatsache, dass beim Marsch der Hundepartei mehr Menschen anwesend waren als bei der halbstündigen Hasskampagne der Fidesz?“, schrieb Magyar in Bezug auf eine Regierungsveranstaltung Anfang März. Und weiter: „Es ist vorbei, Genossen.“ In einem Jahr finden ungarische Parlamentswahlen statt, mittlerweile führt Tisza bereits die meisten Umfragen an.
Auslöser der Proteste ist ein Mitte März im Schnellverfahren verabschiedetes Gesetz, das Pride-Paraden unter dem Vorwand des Kinderschutzes verbietet. Es zielt vor allem auf die jährliche Budapest Pride mit Zehntausenden Teilnehmer*innen ab. Sie findet seit 1997 statt und wurde als Zeichen des liberalen und weltoffenen Ungarns zunehmend zum Gegenpol der Orbán-Regierung. Am Montag stimmt das Parlament über einen Verfassungszusatz ab, der die Definition des Menschen als entweder Mann oder Frau in der Verfassung verankern soll.
Alternative Familienmodelle werden unsichtbar gemacht
Die Rechte der Community wurden in den vergangenen Jahren immer stärker eingeschränkt: Das seit 2021 in Kraft getretene ungarische „Kinderschutzgesetz“ untersagt Minderjährigen jeglichen Zugang zu Informationen über nicht-heterosexuelle Lebensweisen.
Filme wie Harry Potter dürfen im ungarischen Fernsehen nicht mehr tagsüber ausgestrahlt werden. Literatur, die alternative Familienmodelle abseits Vater-Mutter-Kind thematisiert, muss mit speziellen Warnhinweisen versehen werden.
Besonders besorgniserregend: Das jüngst beschlossene Gesetz ermächtigt die Polizei, Gesichtserkennungstechnologie einzusetzen, um Teilnehmer an Pride-Märschen zu identifizieren. Bei Verstößen gegen das Verbot drohen künftig Geldbußen von umgerechnet 500 Euro, in etwa einem durchschnittlichen ungarischen Monatslohn. Einschüchtern lassen sich die Demonstrierenden bisher nicht. Trotz der drohenden Geldstrafen plant das Team der Budapester Pride, die Parade wie geplant am 28. Juni durchzuführen.
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