Ungarn schließt Transitlager: Orbáns falsches Spiel
Ungarn beugt sich dem EuGH. Doch für Flüchtlinge, die nach Ungarn wollen, wird sich die Lage nicht verbessern.
V iktor Orbán steckt zurück. Für viele kam es überraschend, dass Ungarn zwei umstrittene Transitlager für Asylwerberinnen und Asylwerber an der Grenze zu Serbien schließt, wie Gergely Gulyás, Minister des Ministerpräsidenten, am Donnerstag in Budapest bekannt gab.
Der EuGH hatte vor wenigen Tagen die Unterbringung von Flüchtlingen in den von hohem Stacheldraht umgebenen Grenzlagern als „Haft“ qualifiziert. Wenn eine gerichtliche Prüfung ergebe, dass Asylwerber „ohne gültigen Grund in Haft genommen wurden, muss das angerufene Gericht sie unverzüglich freilassen“, so der EuGH. Denn die Lager zu verlassen war für die verzweifelten Menschen praktisch nur in Richtung Serbien möglich. Und Serbien ließ sie nicht ins Land.
Ungarn hatte 2015 einen hermetischen Zaun errichtet und das Land gegen jeden – als gezielte Invasion von Wirtschaftsflüchtlingen dargestellten – Durchzug von Kriegsvertriebenen aus der Nahost-Region abgeschottet. Sehr zum Unwillen der EU-Kommission, die auf eine faire Verteilung von Flüchtlingen auf alle Mitgliedstaaten setzte.
Ungarns rechtsnationaler Ministerpräsident Viktor Orbán ist ein Meister des Taktierens, wenn es um das Verhältnis zu Brüssel geht. Er provoziert so lange wie möglich, weicht dann aber im entscheidenden Moment einen Schritt zurück. Und hat dann die Genugtuung, dass seine anfangs umstrittene Politik inzwischen zum Mainstream in Europa geworden ist: Grenzen dicht! Das Nichtbefolgen eines Urteils des EUGH aber wäre offene Rebellion und könnte Sanktionen nach sich ziehen. Jetzt gibt der Autokrat den folgsamen Demokraten.
Schon jetzt ist klar: Für die Flüchtlinge, die nach Ungarn wollen – selten um dort zu bleiben, in der Regel um nach Deutschland weiterzuziehen –, wird sich die Lage durch die Schließung der Lager von Röszke nicht verbessern. Ihre Asylanträge werden die Flüchtenden künftig nicht mehr auf ungarischem Territorium, sondern allenfalls in ungarischen Botschaften stellen können. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass fast alle dort scheitern werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken