Unerwünschte Mails: Redaktion mag Linke nicht

Die Linkspartei soll dem Göttinger Anzeigenblatt "Blick" keine E-Mails mehr schicken. Der Leiter des "Blick" ist CDU-Mitglied, im Herbst sind Kommunalwahlen.

Erstickt, so heißt es, an Partei-E-Mails: der Göttinger "Blick". Bild: Kai Budler

GÖTTINGEN taz | "Sehr geehrte Damen und Herren, dankbar wäre ich Ihnen, wenn Sie uns aus dem Verteiler streichen könnten". Per E-Mail teilte die Redaktion des Göttinger Anzeigenblattes Blick Anfang März der Linkspartei mit, dass deren Pressemitteilungen nicht länger erwünscht seien. An sich keine große Sache: Im Prinzip kann jede Zeitung schreiben, was sie will, und dabei die Quellen nutzen, die ihr belieben.

Aus Sicht der Partei allerdings drängt sich in diesem Fall der Verdacht auf, der Blick vermenge auf fragwürdige Weise Publizistik und Parteipolitik: Redaktionsleiter Gerd Goebel, der die E-Mail unterzeichnet hat, ist CDU-Mitglied und Bürgermeister des kleinen Ortes Tiftlingerode im Kreis Göttingen. Er reagierte mit seiner Abbestellung auf eine Presseerklärung der Linken, in der diese SPD und Grüne im Göttinger Kreistag zu einer gemeinsamen Landratskandidatur aufforderte, um die bereits nominierte CDU-Kandidatin zu verhindern. Im Herbst sind in Niedersachsen Kommunalwahlen.

Der in ganz Südniedersachsen verbreitete Blick - die kostenlos verteilte Auflage liegt nach eigenen Angaben wöchentlich bei rund 110.000 Exemplaren - gehört zur "Göttinger Tageblatt GmbH & Co. KG". Das Tageblatt wiederum ist die einzige Tageszeitung in der Region und gehört zum Madsack-Konzern, der mit seinen Leitmedien Hannoversche Allgemeine Zeitung und Neue Presse sowie etlichen Ablegern die Presselandschaft in Niedersachsen weitgehend dominiert.

In Göttingen scheiterten in den vergangenen Jahren mehrmals Versuche, eine Alternative zum Tageblatt zu installieren. Regionalausgaben der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen erscheinen zwar mit einer Göttingen-Seite, sind in der Stadt jedoch nur wenig verbreitet. Zwei wöchentliche Anzeigenblätter - neben dem mittwochs erscheinenden Blick noch der sonntägliche Extra Tip - und mehrere Zeitgeistmagazine komplettieren das Angebot.

Eckhard Fascher, Kreissprecher der Linken, stellt mit Blick auf den Blick das im Kodex des Deutschen Presserates verbriefte Recht auf freie Themen- und Quellenwahl nicht in Frage. Der Presserat sage aber auch, dass nicht alles, was von Rechts wegen zulässig wäre, auch ethisch vertretbar sei: In der Richtlinie zur Wahlkampfberichterstattung heißt es: "Zur wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit gehört, dass die Presse in der Wahlkampfberichterstattung auch über Auffassungen berichtet, die sie selbst nicht teilt."

"Wenn der Chefredakteur einer Zeitung noch nicht einmal versucht, den Anschein dieser objektiven Berichterstattung zu wahren, dann sind wir an einem äußerst kritischen Punkt angelangt", sagt Fascher. Aus seiner Sicht nutzen viele Bürger in der Region den Blick als einzige Informationsquelle. Ignoriere dieser Stellungnahmen der Linken, informiere er seine Leser gezielt nur über einen Teil des politischen Geschehens. Für Fascher eine "akute Gefährdung ihrer freien Meinungsbildung und damit eine Erschütterung der Grundfesten unserer Demokratie". Chefredakteur Goebel solle "seine Position revidieren", sagt Fascher, zudem müsse die "Mutterzeitung", das Göttinger Tageblatt, zu der Sache Stellung nehmen. Die Partei prüfe, ob sie den Presserat einschaltet.

Auf taz-Nachfrage wies Goebel die Vorwürfe zurück. Nach wie vor sei der Blick an Pressemitteilungen interessiert. Jedoch nähmen die E-Mails der Parteien derart zu, "dass die Blick-Redaktion fast erstickt", sagte er. Die Linke könne der Zeitung "natürlich" weiterhin Stellungnahmen zuleiten, so Goebel - per Post oder Fax.

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