Unerlaubte Preisabsprache: Methode Callcenter
Kartelle sind in Deutschland eher die Regel als die Ausnahme. Seit die Ermittler Kronzeugen belohnen können, werden aber mehr aufgedeckt - obwohl die Arbeitsweise immer ausgefeilter wird.
Sie tauchen unangemeldet auf, durchwühlen Schubladen, konfiszieren Verträge, packen Ordner ein. Und sie kommen immer häufiger: Beamte des Bundeskartellamts, die wegen Preisabsprachen ermitteln. Allein seit Beginn des Jahres haben sie in zwei Branchen Durchsuchungen gemacht und in drei weiteren Geldbußen verhängt.
Mitte Februar klingelten sie bei Kraft Foods, Alfred Ritter, Nestlé Deutschland und vier weiteren Schokoladenproduzenten. Vorige Woche standen sie bei Deutschlands größten Mühlenkonzernen VK Mühlen und Werhahn sowie 16 anderen Mehlherstellern vor der Tür. Bußbescheide gingen an fünf Pharmafirmen, acht Apotheken und zehn Branchenverbände, drei Dekorpapierfirmen sowie vier Produzenten von Drogerieartikeln. Jedes Mal geht es um Absprachen, mit denen Wettbewerb verhindert werden sollte.
2007 gab es gerade mal eine Handvoll öffentlichkeitsrelevanter Durchsuchungen und größerer Geldbußen. Dass die kriminelle Energie größer geworden sei, könne man aus den aktuellen Vorgängen aber nicht folgern, meint Kartellamtssprecherin Silke Kaul. "Wir wussten schon immer, dass Preisabsprachen weit verbreitet sind, konnten das aber oft nicht beweisen." Der Aufklärungsschub sei der 2006 in Kraft getretenen Bonusregelung zu verdanken. "2007 meldeten sich 41 Kronzeugen für 12 Fälle", erklärt Kaul. Für das laufende Jahr rechnet sie mit noch mehr.
Kartelle, also Vereinbarungen, in denen Firmen Preise absprechen oder Märkte aufteilen, sind in Deutschland verboten. Überwacht wird das von den Landeskartellbehörden, dem Bundeskartellamt und der EU-Kommission. Sie können von Unternehmen Auskünfte verlangen, Papiere einsehen und nach richterlichem Beschluss Büros und Wohnungen durchsuchen. Reichen die Beweise, verhängen sie Bußgelder von bis zu 10 Prozent des Vorjahresumsatzes.
Für den Anfangsverdacht waren die Kartellwächter lange auf anonyme Informanten angewiesen: Mitarbeiter nicht beteiligter Konkurrenzunternehmen; ehemalige Beschäftigte, die dem früheren Arbeitgeber eins auswischen wollen; Neulinge, die beim Jobantritt feststellen, dass sie bei einer Kartellfirma gelandet sind. Seit die Bonusregelung gilt, melden sich auch Mitarbeiter, die Skrupel bekommen haben - oder Ermittlungen zuvorkommen wollen. Kooperieren sie mit den Beamten, können sie darauf hoffen, dass sie und ihr Unternehmen nur geringe oder gar keine Bußen bekommen. Sie bringen meistens mehr belastendes Material mit als anonyme Informanten.
Das Problem: Das Bonusangebot gilt auch für Unternehmen, die erst mit den Behörden zusammenarbeiten, wenn die Beamten schon im Haus waren. "Das scheint ungerecht, aber wir sind auf jede Kooperation angewiesen", sagt Kaul. Denn die Manager erfänden ständig neue Wege sich abzusprechen. "Das dunkle Hinterzimmer ist längst nicht mehr die Regel."
Bei den Mühlen beispielsweise vermuten die Kartellwächter einen sogenannten koordinierten Kapazitätsabbau. Dabei beschließen die beteiligten Unternehmen, das Angebot zu verkleinern. Dafür fahren sie aber nicht die eigenen Kapazitäten zurück, sondern kaufen gemeinsam Wettbewerber auf - und machen deren Werke dicht.
Beliebt ist auch die Variante Callcenter, die unter anderem die Flüssiggashersteller angewandt hatten, denen das Bundeskartellamt 2007 Millionenbußen aufbrummte. Die Kartellmitglieder richten eine gemeinsame Telefonzentrale ein, in der alle Preisanfragen landen. Kunden, die den Lieferanten wechseln wollen und darum bei der vermeintlichen Konkurrenz anrufen, werden automatisch dorthin umgeleitet - und bekommen abschreckende Preise genannt, damit sie ihrem alten Lieferanten treu bleiben.
Nach Angaben der Ermittler schufen die Mitglieder des Flüssiggaskartells - die die Hälfte der Marktanteile auf sich vereinten - so ein Preisniveau, das "bis zu 100 Prozent über dem unbeteiligter Anbieter" lag. "Solche Methoden sind schwer nachzuweisen", sagt Kartellamtssprecherin Kaul. Gegen das Flüssiggaskartell ermittelte die Behörde zweieinhalb Jahre.
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