Unerhört 15 – Cécile Lecomte: „Die Polizei hat Angst vor mir"
Cécile Lecomte wurde bekannt, als sie an ein Seil gehängt ganz alleine einen Castor-Transport blockierte. Seit dem nimmt die Polizei sie während Protesten regelmäßig "vorsorglich" in Gewahrsam.
Cécile Lecomte kletterte schon als Schülerin viel herum. Sie machte zum Beispiele ihre Hausaufgaben gerne auf dem Kleiderschrank. Nun benutzt sie ihr Talent zum Protest: 2008 musste ein Castor- Transport sechs Stunden stehen, weil sie über den Gleisen hing. "Es war politisch sehr effektiv – und ich bin auch vor Gericht freigesprochen worden. Oberhalb von 4 Metern 80 gibt es kein Gesetz dafür, und wo es kein Gesetz gibt, da darf man einfach alles machen."
Die Polizei hat ihre eigene Art, auf diese Aktion zu reagieren – auf eine Atomkraftgegnerin, die virtuos klettert. „Die Polizei hat Angst vor mir", erzählt Lecomte. "Das geht so weit, dass ich immer wieder präventiv in Gewahrsam genommen werde.“
Beim jüngsten Castor-Transport habe man sie "zur Gefahrenabwehr" vier Tage festgehalten. Dies sei möglich zur Abwehr von Gefahren "von erheblicher Bedeutung". „Im Fall der Castor-Transporte sind scheinbar wir die Gefahr und nicht die Castoren. Das finde ich richtig schade.“
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Es sei schon schwierig auszuhalten, für vier Tage präventiv festgenommen zu werden. Da beschleiche einen das Gefühl, man lebe "in einem Willkürstaat". Sie sei teilweise auch schon längere Zeit von der Polizei überwacht worden.
"Eigentlich ist es nicht schlimmer als Falschparken, wenn man sich über den Schienen ein bisschen tiefer abseilt", sagt Cécile Lecomte. "Unsere Stärke ist unsere Kreativität." Alles sei möglich, so lange die Aktionen gewaltfrei seien, was heiße, dass niemals Menschen gefährdeten werden dürften.
Lecomte appelliert an die Vernunft jedes Bürgers: "Menschen dürfen nicht aufhören zu denken, weil es da ein Gesetz gibt. Menschen dürfen überprüfen, ob das Gesetz überhaupt Sinn macht."
Wenn sie an der Regierung wäre, würde sie die Atomkraftwerke abschalten und keine Gentechnik mehr erlauben. Grundsätzlich aber gelte: „Ich würde die Menschen fragen, was sie wollen. Ich kann viel kritisieren, aber ich besitze nicht die Wahrheit.“
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