: Und sie schuften
■ Barbara Metzlaff zeigt den Aufbau der Kinder-Krankenstation „Rote Nelke“ bei Tschernobyl
Standbild: die Stadt Tripjat, drei Kilometer von der Station Tschernobyl entfernt. Leere Häuserzeilen, Straßen, die nur Pfützen sind. Gras wächst zwischen den Betonritzen – kein Lüftchen weht. Ton: Der Unfallarzt Valentin Bjelokon erzählt, wie er in der Nacht zum 27. April 1986 vom Krankenhaus angerufen wurde. Wie er die Explosion schon von weitem gesehen habe, durch die Absperrung der Soldaten gegangen sei – ohne Schutzanzug. Später kommt er selbst in die Strahlenklinik nach Moskau, bricht die Behandlung aber ab, fühlt sich „innen gesund“ genug, um die Kinder in seiner Heimat zu betreuen.
Szenenwechsel: Jugendliche aus Bochum schippen Zement in der „roten Nelke“, dem ehemaligen Pionierlager einer sowjetischen Jugendorganisation in der Ost-Ukraine. Sie scherzen, legen sich müde in die Schubkarre, um ein Nickerchen abzuhalten, oder mokieren sich über das Lila der Wände – und schuften. Sie arbeiten am Wideraufbau der verkommenen Gebäude, in denen der Arzt Bjelokon eine Krankenstation einrichten will für die Kinder von Tschernobyl.
Der Film Rote Nelke von Barbara Metzlaff erzählt die Arbeiten des Aufbau-Projektes leise und unspektakulär. Die Bilder sprechen meist ohne Text, verfolgen die Menschen und ihre Kontaktaufnahme durch Porträt-Einstellungen: schwierige Verhandlungen zwischen Direktorin und Pfarrer, immer unterbrochen durch die Übersetzerin. Oder Diskussionen über den verschollenen Lkw und den benötigten Zement. Und manchmal auch Passagen, die ein wenig langweilig sind. So langweilig, wie das Leben eben ist, wenn man in drei Schichten sechs Stunden am Tag Zement schippt.
Barbara Metzlaff ist Mitglied des Medienzentrums thede, die übrigens umgezogen ist. Nach 14 Jahren Thedestraße sitzt es jetzt in der Stresemannstr. 374 – schräg gegenüber vom Offenen Kanal.
Was neu ist? Die Räume sind größer, einer davon ist untervermietet an die neu gegründete Produktionsgruppe Abbildungszentrum. Neben dem Geräteverleih vermieten die FilmemacherInnen auch einen Schnittraum für 16 und 35 mm. Das Abbildungszentrum verschickt auf Anfrage ihr Videomagazin Der Renegat, das im Offenen Kanal ausgestrahlt wird.
Gabriele Wittmann
„Rote Nelke“ läuft im Lichtmeß, 17. 12. 20 Uhr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen