: Und ewig baggert der Bagger
Auch nach der jüngsten Krise um Garzweiler II scheint die rot-grüne Koalition zu halten – vorerst. Noch kein Stopp-Signal der Bündnisgrünen ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs
Die Zukunft der rot-grünen Koalition in Düsseldorf bleibt nach wie vor offen. Auch nach der am Montag erfolgten Zulassung des Rahmenbetriebsplans für das umstrittene Braunkohletagebauprojekt kam von den Bündnisgrünen gestern noch nicht das endgültige Stopp-Signal.
Zunächst einmal gehe es darum, so sagte der grüne Parteisprecher Reiner Priggen gegenüber der taz, „sorgfältig zu prüfen, welche Möglichkeiten unsere Umweltministerin Bärbel Höhn jetzt noch hat, um die von ihr aufgeworfenen Fragen zur Wasserproblematik ergebnisoffen zu überprüfen“. Dabei zeichnete sich gestern ab, daß die Bewertung der von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) im Alleingang durchgeführten Genehmigungsurkunde von Höhn nicht mehr in diesem Jahr vorgelegt wird. Von der grünen Führungsetage sei jetzt „kein Schnellschuß, sondern eine intelligente Antwort auf Clement gefordert“, hieß es.
Clement selbst bezeichnete die erfolgte Genehmigung gestern während einer live im WDR- Fernsehen übertragenen Pressekonferenz „als wesentlichen Schritt zur Sicherung der kontinuierlichen Braunkohlegewinnung im rheinischen Revier“. Die Risiken des Projektes, das der langfristigen Sicherung der Energieversorgung diene, seien „beherrschbar“. Gleichzeitig wies Clement darauf hin, daß in dem Rahmenbetriebsplan „erstmals die Rückholbarkeit des Projektes bergrechtlich ausdrücklich verankert“ sei.
Zusammen mit den Beschäftigten in den Betrieben der Kraftwerksbauer hingen an dem Braunkohletagebau, der selbst 9.000 Leuten Jobs biete, zirka 50.000 Arbeitsplätze. Die rot-grüne Koalition müsse an diesem Beispiel zeigen, „daß sie industriepolitisch handlungsfähig ist“. Bezüglich des Rahmenbetriebsplans sei für die Düsseldorfer Koalition nun der „point of no return“ erreicht. Die Koalition müsse daran nicht zerbrechen. Clement wörtlich: „Ich halte es nicht für notwendig, daß wir scheitern.“ Er persönlich „habe ein außerordentliches Interesse daran, daß die Koalition, die enorme Fortschritte erzielt hat, funktioniert“.
Das Betreiberunternehmen Rheinbraun, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des Essener Energiekonzerns RWE, „begrüßte“ gestern ausdrücklich den Genehmigungsschritt. Die „grundsätzliche Machbarkeit und Zulässigkeit des Tagesbaus“ sei damit „ebenso geklärt wie die Beherrschbarkeit der wasserwirtschaftlichen Auswirkungen“.
Gleichzeitig wies Rheinbraun aber darauf hin, daß durch die von Höhn angekündigten zusätzlichen Überprüfungen „der Zeitplan für Garzweiler II und damit das Vorhaben selbst weiter gefährdet“ sei. Diese „allein politisch bedingte Unsicherheit“ habe „zwangsläufig Auswirkungen auf das Investitionsverhalten des Unternehmens“. Investitionen würden deshalb von weiteren „konkreten Verfahrensfortschritten abhängen“. Maßgebliche Grüne setzen nach wie vor darauf, diese Fortschritte durch gezielte Eingriffe in das Verfahren zu verhindern. Der Hebel dafür, so hieß es gestern, liege nach wie vor bei Umweltministerin Höhn.
Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) sieht seine Koalition jetzt auf „eine schwere Probe“ gestellt. Nach sorgfältiger Abwägung komme er zu dem Schluß, „daß die Koalition auch nach der Rahmenbetriebsplanzulassung ihre erfolgreiche Arbeit fortsetzen kann und muß“. In einem Brief an die Funktionäre seiner Partei schrieb Rau gestern, von „beiden Seiten“ sei nun „ein hohes Maß an Sensibilität und Klugheit gefordert“.
Nach dem Clement-Verhalten der letzten Wochen böte sich vielleicht an, daß Rau zunächst seinen Stellvertreter und ausgeguckten Nachfolger zum Sensibilitäts-Training nach Wuppertal bestellte. Schon am letztem Sonntag trafen sich dort Finanzminister Heinz Schleußer, Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering und Clement zusammen mit Rau. Dabei legte das Quartett fest, daß Rau den Sessel des Regierungschefs nach der Landtagswahl in Niedersachsen für Clement freimacht.
Die Frage ist, ob die Koalition in Düsseldorf solange hält und die Grünen gegebenenfalls ihrem Sozi-Buhmann die Stimmen im Parlament zukommen lassen. Parteisprecher Priggen mochte darüber gestern nicht mehr spekulieren. Die Parteispitze wird für den Sonderparteitag am 17. Januar kurz zuvor ein Stellungnahme vorlegen. „Jetzt“, so freute sich Priggen, „ist erstmal Weihnachten“.
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