: Und der Leerstand feiert Triumphe
■ Investoren der Friedrichstadtpassagen rennen potentiellen Mietern hinterher
„Leben und genießen. Voila!“ Der Imagespruch des Pariser Modehauses „Galeries Lafayette“ zitiert nicht nur französisches Lebensgefühl, sondern auch den Mythos Berlin-Friedrichstraße. In dieser Straße waren die goldenen Zwanziger zu Hause: die teuren Geschäfte, die schweren Jungs und die leichten Mädchen. Doch die ersehnte Neubelebung hat nicht nur mit der Hypothek der 20er-Jahre- Mythen zu kämpfen, sondern auch mit der Banalität der Gegenwart.
Sie sollte die nobelste Shopping- Meile mit den exklusivsten Geschäften der Hauptstadt werden, die „neue Friedrichstraße“. Doch die hochfliegenden Erwartungen der Investoren und Politiker wurden schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. In Berlin herrscht nicht nur auf dem Büromarkt Flaute, sondern auch im Handel. Statt der erwarteten 400 Mark je Quadratmeter wird heute in der 1a-Lage Friedrichstraße weniger als die Hälfte erzielt. Der Leerstand triumphiert.
Neben den Galeries Lafayette eröffnet am 29. Februar nur noch das Modegeschäft Hennes & Mauritz an der Mohrenstraße. Der Start des US-Erlebnis-Restaurants „Planet Hollywood“ (Teilhaber: Sylvester Stallone, Bruce Willis, Arnold Schwarzenegger) steht derzeit noch in den Sternen.
Neuer Chic und alte Plattentristesse
Und auch die Eröffnung der unterirdischen Flaneurstrecke, die dem 1,4-Milliarden-Projekt „Friedrichstadtpassagen“ den Namen gab, wurde auf den Herbst verschoben. Es flaniert sich nicht besonders vor leeren Schaufenstern.
Anders als in den 20er Jahren, als mit der Leipziger Straße bis hin zum Spittelmarkt eine weitere Einkaufsstraße unmittelbar anschloß, ist die „neue Friedrichstraße“ ein Torso, der im Nichts beginnt und im Nichts endet. Der „glühende Buchstabentaumel“, als den Siegfried Kracauer die alte Friedrichstraße beschrieben hat, ist zudem einer monotonen Architekturlandschaft gewichen, die nicht dem Rhythmus der Reste an vorhandener Bebauung folgt, sondern sich in ihren Großblöcken selbst inszeniert und dabei zwangsläufig scheitern muß. Die Kontraste sind unübersehbar. Während die drei Blöcke der Friedrichstraße mit Glas, Granit und Marmor protzen, strahlt auf der westlichen Straßenseite sozialistische Plattentristesse.
Der Monotonie ihres äußeren Erscheinungsbildes entspricht auch die innere Nutzung mit Einheitsbüros, Ladenschachteln und teuren Apartmentkäfigen unterm Dach. Mit dieser „Mischung“ wird sich Glanz und Geist der alten Tage kaum erwecken lassen.
Ohnehin ist der erwartete Aufschwung kaum mehr als ein dürftiges Warten auf bessere Zeiten: „Wir hoffen natürlich, daß mit dem Regierungsumzug neue Kundschaft kommt“, erklärt der Generaldirektor des Modehauses, Georges Meyer. So bleibt der Hauptstadt-Chic in der Friedrichstraße vorerst auf jene Geschäfte beschränkt, die bereits seit Jahren als Rufer in der Wüste ausharren und dabei fast vertrocknet sind: das Schmuckgeschäft Christ, die Edelboutique Escada und die Daimler-Benz-Niederlassung.
Während die Friedrichstraße, die Passageninvestor Roland Ernst so gerne als „Hauptachse der Stadt“ sähe, noch lange nach einer eigenen Identität suchen wird, feiert der totgesagte Kurfürstendamm fröhliche Urständ. Dort werden mit 360 Mark pro Quadratmeter genau jene Mieten bezahlt, die man sich für die neue City Ost versprochen hatte. „Zwar hat auch die Friedrichstraße eine Zukunft“, orakelt ein Makler der Firma Kempers, „aber dazu bedarf es noch einer gewissen Zeit.“
Im Klartext: Die Investoren rennen den Mietern hinterher. Selbst Schnäppchen sind keine Seltenheit mehr. Wer hart genug verhandelt, kann sich die gewünschte Fläche gar bis zu drei Jahre reservieren lassen. Die eigentliche Eröffnung der Friedrichstraße ist wohl – wie die Stadt selbst – ein Prozeß, der niemals endet.
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