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Und Jackiewedelt

Retro Foxygen spielten im Columbia Theater, als ob es schon wieder 1974 wäre

Es fing alles gut an. Im Vorprogramm spielten The Big Moon, vier junge Frauen aus London, einen schönen Gitarren-Twang-Pop mit Wurzeln in den sechziger Jahren; ihren Hit „Come Back for the Summer“ hatten sie gleich als Opener dabei, später coverten sie noch recht erfolgreich „Beautiful Stranger“ von Madonna – in London gelten sie unter den wohl nie aussterbenden Indiekids als das neue Ding, hierzulande fragt man sich vielleicht, was aus anderen angesagten Girl Bands der letzten Zeit (La Luz, Hinds) geworden ist oder noch werden soll. Eine gute halbe Stunde war das – bevor die Zeit zwischen den Sets an diesem Donnerstagabend im nur halb gefüllten Columbia Theater am Columbiadamm stehen blieb.

Dann betraten Foxygen die Bühne – und zwar zu acht. Sam France und Jonathan Rado hatten sich eine Begleitband inklusive Bläser gegönnt; Jackie Cohen hampelte ab der zweiten Nummer als Co-Sängerin mit Frisurschwung und wedelnden Armen wie in einem Tanzfilm der frühen Siebziger über die Bühne, während France den Zampano aus der Rocky Horror Picture Show gab, nur ohne Alkohol und auch ohne Stimme – ja, waren die denn verrückt geworden? Was sollte das sein, der Versuch, als Jim Morrisson Steve Miller aus der Steve Miller Band zu verdrängen? Ist denn schon wieder 1974? Es schien so.

Untergang im Kunstsinn

Um es auf den Punkt zu bringen: Foxygen, gegründet 2005 in einem Kaff in Kalifornien und mittlerweile auch schon in zahlreiche kleinere Skandale verwickelt, sind retro. Sie haben sich nach ein paar schmissigen Indie-Hits, die sie am Anfang des Sets in neuer Bläser-Opulenz als Vaudeville-Nummern darbieten (wie das wirklich schöne „San Francisco“ mit dem Call-and-Response-Refrain „I lost my love in San Francisco … That’s okay, I was born in L.A. … I lost my love in a field … That’s okay, I was bored anyway“ und das anschließende „Shuggie“ mit der Zeile „You don’t love me, that’s news to me“), entschieden, den Weg der irrenden beiden Genies zu gehen und sich eine Retrohölle tiefer zu bewegen – vom Sixties-getränkten Studentenpop zum hedonistischen Siebzigerschlager. Steve Miller Band eben. Oder was man noch so für kennerische Verweise nennen könnte. Ein Fehler, den schon MGMT begangen haben: Untergang im Kunstsinn. Ein Scheiß.

Und so zuckelte das Konzert voran. Sam France sieht mittlerweile aus wie Ashton Kutcher in „Die wilden Siebziger!“ und hat tatsächlich keine Stimme. Jonathan Rado müht sich um Piano und Gitarre. Jackie Cohen wedelt mit den Armen. René Hamann

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