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„Die Lager des Uncle Sam“ (22.45 Uhr, Arte)

Für die Nisei sind die 40er-Jahre eine klaffende Lücke. Im Jahrzehnt des Krieges existierten die in Amerika geborenen Japaner weder für ihre Heimat – die USA – noch für sich selbst.

Emiko Omori war damals noch zu jung, um zu verstehen, was geschah, als Uncle Sam gegen Nippon in den Kampf zog. Während die Alliierten den deutschen Konzentrationslagern ein Ende bereiteten, pferchte Roosevelt 120.000 Japaner in „Concentration Camps“, weil er sich deren Loyalität nicht sicher war. Familie Omori spricht noch immer nicht über die Ereignisse von 1942, die sie der eigenen Identität beraubten.

Knapp 60 Jahre später machte sich Emiko in ihrer Dokumentation schließlich auf die Suche nach dem eigenen, noch nie dagewesenen Ich. Sie lässt ehemalige Internierte berichten, wie sie gezwungen wurden, einer Kultur abzuschwören, in der anderen aber unerwünscht waren. Nisei, die meist noch nie einen Fuß in das Land ihrer Ahnen gesetzt hatten, waren plötzlich keine Amerikaner mehr. Die Regierung erkannte ihnen das Geburtsrecht auf Staatsbürgerschaft ab.

Abseits der Interviews versucht Omori, die Zerrissenheit ihres Selbst mit einem schmerzlichen, zyklischen Kreisen um das damalige Geschehen aufzuarbeiten. Die Originalaufnahmen aus den Lagern zeigen eine segregierte Gemeinschaft, die trotz der widrigen Umstände weiterzumachen versucht. Nur wie? Die begleitenden, wechselnden Bilder der amerikanischen Weite mit japanischen Gräbern und Gärten erscheinen wie ein Stakkato zweier unvereinbarer Welten. Doch für Omori sollen sie ein Ganzes sein. Bis heute herrscht in den USA ehernes Schweigen über die Ereignisse in den Camps. „Das Problem war nicht, dass sie so schlimm waren, sondern dass sie nicht schlimm genug waren“, meint Omori – und ist darin wieder zu einer reservierten Japanerin geworden. „Die Lager des Uncle Sam“ bietet einen sehr persönlichen, als Film wohl einzigartigen Einblick in die Psyche einer uns fremden Ethnie ohne Identität, wie ihn bisher nur die Bücher von Maxine Hong Kingston oder Amy Tan boten. Aber die Lücke im Ich der Nisei konnten selbst sie nicht füllen. Auch Emiko Omori ist daran gescheitert.

ALEX MENGER

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