Unabhängigkeitstag in Myanmar: Macht der Junta beginnt zu wanken
Die Militärjunta gibt sich mit einer weiteren Amnestie als human. Sie trifft aber im Kampf mit Rebellen viele Zivilisten.
Ein Anwalt, der viele politische Gefangene vertreten hat, sagte der Nachrichtenagentur AP, die meisten Begnadigten seien wegen gewöhnlicher Straftaten verurteilt worden. Lediglich etwa 120 seien politische Gefangene. Unter den Freigelassenen sei Ye Lwin, der populäre frühere Bürgermeister der zweitgrößten Stadt Mandalay.
Seit ihrem Putsch am 1. Februar 2021 hatte die Militärregierung schon mehrfach Amnestien verkündet, zunächst, um Platz in den Gefängnissen für politische Gefangene zu schaffen, später, um sich ein konzilianes Image zu geben. Die wenigen politischen Gefangenen, die freigelassen wurden, kamen oft erst kurz vor dem Ende ihrer Haftstrafen frei. Die weggeputsche frühere de-facto Regierungschefin Aun San Suu Kyi war jetzt nicht unter den Amnestierten.
Am vergangenen 75. Jahrestag hatte es eine Militärparade in der von den Generälen in den Nullerjahren geschaffenen Hauptstadt Naypyidaw mit ihren absurd breiten Straßen von bis zu 20 Fahrspuren. Bei der Parade, die das exilbirmesische Newsportal Irrawaddy „nordkoreanisch“ nannte, mussten damals Beamte und Studierende Juntachef Min Aung Hlaing zujubeln.
Der Juntachef kündigte damals, Anfang 2023, Wahlen an und auch eine Amnestie für 7.000 Gefangene. Zuvor war gerade erst die Haftstrafe Aung San Suu Kyi verlängert worden. Auch vor einem Jahr kamen kaum politische Gefangene frei. Und schon bald verlängerte der General den Ausnahmezustand und nahm von Wahlen wieder Abstand.
Unverbindliches Wahlversprechen
In seiner jetzigen Botschaft zum Unabhängigkeitstag ging Min Aung Hlaing nicht auf die politische Krise ein. In der vom Vizechef der Junta, General Soe Win, vorgetragenen Rede Min Aung Hlaings stellte dieser eine Wahl in Aussicht. Anschließend werde das Militär die Verantwortung an die gewählte Regierung übergeben. Doch auch jetzt wurde kein Zeitrahmen genannt.
Im letzten Jahr hat sich der Krieg im Land weiter zugespitzt und der Junta überraschende Niederlagen beschert. Am 27. Oktober hat das Rebellenbündnis „Three Brotherhood Alliance“ im Nordosten des Shan-Staates eine koordinierte Offensive begonnen und zahlreiche Militärposten, Kleinstädte und wichtige Grenzübergänge nach China erobert.
Im November erzielten Rebellen auch im Westen im Rakhaing-Staat an der Grenze zu Bangladesch und im Chin-Staat an der Grenze zu Indien Erfolge. Der Mehrfrontenkrieg überfordert das Militär und seine zudem geringe Kampfmoral. Eine verkündete Gegenoffensive blieb aus, die Generäle setzen fast nur noch auf Luft- und Artillerieangriffe. Die fordern viele zivile Opfer. Inzwischen drohte das Militär mit der Zerstörung der von Rebellen eroberten Orten.
China wünscht vor allem Stabilität
Eine widersprüchliche Rolle spielte zuletzt China: Peking hat den Putsch nie verurteilt und die Junta stets mit Diplomatie, Waffen und Investitionen gestützt. Dabei hatte die Volksrepublik auch gute Beziehungen zu Aung San Suu Kyi gehabt, doch wünscht sie vor allem Stabilität.
Deshalb störte Peking auch die massive Cyberkriminalität in Myanmars Grenzregion. Dort boomten von der Junta protegierte digitale Betrugsfabriken. Zehntausende Cybersklaven aus China und Südostasien wurden dort zu betrügerischen Glücksspielen und Geschäften gezwungen. Ihre Opfer waren oft Chinesen. Da die Junta monatelang Pekings Drängen ignorierte, duldete China stillschweigend die Rebellenoffensive. Die Three Brotherhood Alliance lieferte dann auch Kriminelle aus und befreite Cybersklaven.
Doch Peking war vom großen Erfolg der Rebellen wohl so überrascht wie von der Unterbrechung des Grenzverkehrs selbst, vermutet der Myanmar-Experte Jason Tower vom US-Institute of Peace (USIP). Da China kein Interesse am Sturz der Junta hat, die es zur Stabilisierung Myanmars favorisiert, demonstrierte es auf seiner Seite der Grenze mit einem Militärmanöver Stärke und versuchte seitdem im Shan-Staat einen Waffenstillstand zu vermitteln.
Der soll auch die dortigen Rebellen von anderen Gruppen trennen, mutmaßt Tower. Doch der am 14. Dezember von China erklärte Waffenstillstand brach sofort zusammen. Seitdem nahmen die Rebellen landesweit weitere Militärposten ein.
Am Mittwoch war in in einer chinesischen Grenzstadt eine offenbar fehlgeleitete Granate eingeschlagen und hat laut Staatsmedien mehrere Menschen verletzt. China habe nach dem Vorfall in Nansan in der südwestchinesischen Provinz Yunnan bei den „betroffenen Parteien“ Protest eingelegt, sagte Außenamtssprecher Wang Wenbin am Donnerstag in Peking.
Man habe die Konfliktparteien im Norden Myanmars aufgerufen, das Feuer einzustellen und Zwischenfälle zu vermeiden, die den Frieden und die Sicherheit an der Grenze Myanmars und Chinas gefährdeten. Bei dem Einschlag am Mittwoch wurden laut örtlichen Medienberichten fünf Menschen verletzt.
Eskalation der Kämpfe ist zu erwarten
Myanmar Junta ist zweifellos angeschlagen, aber längst nicht besiegt. Die Rebellen bleiben ein loses Bündnis ethnischer Guerillaarmeen und bewaffneter Demokratieaktivisten. Deren „Nationale Einheitsregierung“ hat kaum Kontrolle über die bewaffneten Gruppen, von denen einer schon Zwangsrekrutierungen vorgeworfen wurde.
Der Krieg dürfte weiter eskalieren. Die Zahl interner Flüchtlinge beträgt nach UN-Angaben inzwischen 2,6 Millionen, bei einer Bevölkerung von insgesamt fast 54 Millionen Menschen. Knapp ein Drittel der Bevölkerung ist auf Nothilfe angewiesen. Die lokale Menschenrechtsorganisation AAPP zählt seit dem Putsch 4.273 von Juntakräften getötete Zivilisten und 25.656 festgenommene Personen, von denen noch 19.858 in Haft sind. Zahlen zu getöteten Regimekräften und Rebellen gibt es nicht.
Spekulationen zufolge könnte eine Ablösung von Juntachef Min Aung Hlaing Verhandlungen erleichtern. Doch dafür gibt es keine Anzeichen. Das Militär hatte mit dem Putsch die Machtteilung mit demokratischen Kräften aufgekündigt. Diese bestehen weiter auf Entmachtung der Generäle.
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