Unabhängige Kulturprojekte in Kairo: Die WG als Kunstraum

Trotz wachsender Zensurmaßnahmen geben Kairos unabhängige Kunst- und Kulturproduzenten nicht auf. Das News-Portal „Mada Masr“ macht es vor.

Eine Karte der Lage - „On Difficult Terms“ von Beirut in Cairo Bild: Beirut in Cairo

Die Straßen rund um den Talab Harb Square sind wie leer gefegt, den fliegenden Händlern wurde ein abseits gelegener Ort außerhalb des Stadtzentrums zugewiesen. Es waren zuletzt einfach zu viele, meint die Filmemacherin Nagham Osman und sagt, man müsse beide Seiten sehen. Doch auch ihr fällt auf, was auf der progressiven, unabhängigen News-Plattform Mada Masr zu lesen ist. Die Aufbruchstimmung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass zurzeit jede Form der Initiative unterbunden wird, und das trifft vor allem die Kulturszene.

Am vergangenen Donnerstag musste Kairos beliebtester Treffpunkt der unabhängigen Szene, das Vent, kurzfristig ein Konzert der libanesisch-japanischen Band Praed absagen, weil die Musiker die neuerdings geforderte Lizenz für den Auftritt nicht vorlegen konnten. Auch das 2012 gegründete Downtown Contemporary Art Festival wurde Opfer der vom aktuellen Regime verabschiedeten Auflagen für unabhängige Kulturveranstalter. So musste der unter dem Titel „Urban Visions“ angekündigte Programmteil verlegt werden.

Das Festival ist dafür bekannt, nicht nur in den baulich beeindruckenden, vom Verfall bedrohten Theatern, Cabarets und Gebäuden der Altstadt stattzufinden, die überwiegend dem Hauptsponsor, der Immobilienfirma Ismalia gehören, sondern eben auch auf den Plätzen und Straßen der Stadt. Doch die Polizei hatte über Nacht die Zugänge zum geplanten Austragungsort gesperrt. Künstler und Passanten sollten ursprünglich eine von Cafés gesäumte und von fliegenden Händlern in Besitz genommene Passage in der Nähe der Börse als öffentlichen Raum reklamieren.

Neue Wege in der Kultur

Was dem Außenstehenden auffällt, gehört für die lokale Szene zum Alltag, so dass es schwierig ist, die Vorfälle mit den Betroffenen zu diskutieren. Viel lieber spricht man über neue Wege in der Kultur.

Hamdy Reda, Gründer und Leiter der Kunstinitiative Artellewa, die seit 2007 in den informellen Gebieten von Kairo Residenzprogramme für internationale Künstler, Ausstellungsprogramme und Workshops durchführt, sagt am Telefon, dass er nach dem Wegfall von Fördergeldern aus dem Ausland darüber nachdenke, seinen Projektraum deutlich zu verkleinern und dafür zeitweise in mehr als nur einem Gebiet mit Programmen aufzutauchen.

Auch das 2012 von Sarah Rifky mit Jens Mayer-Rothe gegründete und zusammen mit Antonia Alampi aufgebaute Kuratorenprojekt //www.facebook.com/BeirutCairo:„Beirut in Cairo“ wird seine Arbeit fortsetzen. Das „Imaginary School Programme“ (ISP) des Projekts geht in seine dritte Saison, ist auf der projekteigenen Website bestens dokumentiert und soll weiter für jeden abrufbar bleiben. Über die weiteren Pläne will sich das Team noch nicht äußern, aber neben der Internetpräsenz wird es wohl auch in Zukunft an Räume gebundene Veranstaltungen geben.

Veranstaltungsarchiv und Kunstraum zugleich

Der 2013 von Jenifer Evans mit Freunden gegründete Projektraum Nile Sunset Annex wiederum, der zuletzt mit Ausstellungen zeitgenössischer Grafik und Literaturperformances auf sich aufmerksam gemacht hat, bleibt in der WG der Gründer und investiert in seine Website, die Veranstaltungsarchiv und Kunstraum zugleich ist. Auch das vielfach preisgekrönte unabhängige News-Portal Mada Masr diskutiert, wie man angesichts der Zensurmaßnahmen weiterarbeiten kann.

Mada Masr ist in der staatlich kontrollierten ägyptischen Medienlandschaft einzigartig, wenn man von der außerhalb Kairos aktiven, von Fatemah Farag gegründeten News-Plattform Sahafet Welad El Balad absieht. Kurz nach dem Militärputsch 2013 von 24 Redakteuren des zwangsweise geschlossenen Egypt Independent gegründet, wird Mada Masr heute von 27 Redakteuren und Reportern getragen und gehört dem Kollektiv.

Mada Masr entwickle sich zu einer Plattform, die nicht nur Artikel produziert, sondern auch Veranstaltungen, so der Wirtschaftsredakteur und Mitgründer Alexandre Dineau. Schon jetzt organisieren Redakteure regelmäßig Workshops, um junge Journalisten auszubilden.

Am Telefon erläutert die Kulturreporterin Maha El-Nabawi, dass Mada Masr in diesem Jahr zudem zwei Kulturveranstaltungen organisieren werde, einen Designer-Markt und ein Autorenfestival, um den überwiegend jungen, mit dem Internet aufgewachsenen Lesern die Möglichkeit zu geben, sich zu engagieren und sich auszudrücken. Es gehe darum, die Leserschaft zu vergrößern und auf diesem Weg Kunden zu gewinnen, die bereit sind, für redaktionelle Dienstleistungen, Onlinekampagnen, Recherchen und Übersetzungen zu zahlen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.