Umweltzonen in deutschen Städten: Noch mehr Stinker ausgesperrt
In Berlin und Hannover gilt ab dem 1. Januar ein verschärftes Fahrverbot in den Innenstädten. Damit soll die Luftbelastung durch Feinstaub weiter verringert werden. Doch es gibt viele Ausnahmen.
BERLIN taz/dpa | Ab dem 1. Januar 2010 werden in vier Städten die Umweltzonen verschärft. In Hannover und Berlin sind dann in den Innenstädten nur noch Fahrzeuge mit einer grünen Umweltplakette zugelassen. In Bremen und Frankfurt am Main brauchen sie eine gelbe oder eine grüne Plakette. Die rote reicht dann nicht mehr. Weitere sechs Städte führen das Verbot für Fahrzeuge mit einem zu hohen Partikelausstoß neu ein.
Begründet werden Umweltzonen mit der Feinstaubbelastung, die in vielen Städten über den von der EU festgelegten Grenzwerten liegen. Die Konzentration der Feinstaubpartikel darf danach an höchstens 35 Tagen pro Jahr höher sein als 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Partikel unter einer Größe von 10 Mikrometern gelten als gesundheitsschädlich, denn sie können durch die Atemluft in die Lunge gelangen. Noch gefährlicher sind Kleinstpartikel, die bis in die Lungenbläschen vordringen. Die möglichen Folgen reichen von Allergien bis zur Staublunge. Allein in Deutschland sterben nach EU-Schätzungen rund 70.000 Menschen jährlich vorzeitig an Erkrankungen, die durch zu viel Feinstaub verursacht werden.
Der Anteil des Verkehrs an der menschlichen Feinstaubemission schwankt je nach Region zwischen 5 und 20 Prozent. Dazu kommt die sogenannte regionale Hintergrundbelastung durch Industrie und in Städten die urbane Hintergrundbelastung. Wegen des vergleichsweise geringen Anteils des Verkehrs fordert der Autofahrerverband ADAC immer wieder die Abschaffung der Zonen.
Nach Erkenntnissen der EU-Kommission wirken sich die Zonen dagegen bereits jetzt positiv aus, obwohl es bisher nur Fahrverbote für Dieselfahrzeuge gibt, die gar keine Plakette bekamen: So zeigten Untersuchungen in Berlin, dass der Ausstoß von Feinstaub durch Fahrzeuge um 24 Prozent niedriger war als vor Einführung der Zone. "Wahrscheinlich achten viele Menschen bereits jetzt beim Kauf eines Autos darauf, dass sie damit auch in Zukunft überall fahren dürfen", mutmaßt Jürgen Resch vom Umweltverband Deutsche Umwelthilfe (DUH). Im Übrigen bringe die Regulierung des Verkehrs eine ganze Menge: An den Messstationen, an denen der Grenzwert am häufigsten überschritten werde, habe er den größten Anteil am Feinstaubaufkommen.
Werner Reh vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) plädiert für weitergehende Maßnahmen und fordert den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und von Radwegen. Außerdem müsse die Förderung von Partikelfiltern für Diesel-Pkws aufgestockt werden. Bisher werden jedem privaten Autobesitzer bei der Nachrüstung seines Fahrzeugs 330 Euro ausgezahlt. Allerdings werden dabei auch offene Systeme gefördert. Diese sind billiger, aber auch ineffizienter als geschlossene. Gerade bei den feinsten und damit gefährlichsten Partikeln sei ihre Wirkung zu gering, so Reh. Nur geschlossene Systeme sollten deshalb höher gefördert werden.
Zwar will die Bundesregierung nicht ganz so weit gehen, aber immerhin verlängert sie die Subventionierung, die eigentlich zum Jahreswechsel auslaufen sollte. Einbezogen werden sollen auch kleine Nutzfahrzeuge. Das soll vor allem Handwerksbetriebe entlasten.
Bis Montag wurden die Grenzwerte immer noch an zwölf Messstationen an mehr als 35 Tagen überschritten. Eine abschließende Bilanz gibt es erst mit dem Jahreswechsel, denn in der Silvesternacht erreichen die Werte oft noch mal ein Vielfaches der zulässigen Feinstaubmenge. Daran könnte die eine oder andere Kommune noch scheitern.
Wie schon vor zwei Jahren gegen die erste Stufe, hatte es besonders aus der Wirtschaft auch gegen die nun kommende zweite Stufe der Umweltzone viel Widerstand gegeben. Vor allem kleinere Unternehmen und Handwerksbetriebe beklagten hohe Kosten für die Modernisierung ihres Fuhrparks. Denn ohne eingebauten Rußfilter erhält kein Dieselfahrzeug mehr eine grüne Plakette.
Die Klagen zeigten Wirkung. Für Fahrzeuge, die nachweislich nicht mit Rußfiltern nachrüstbar sind, handelten die Wirtschaftsverbände inzwischen ein vereinfachtes Verfahren aus: Eine 50 bis 75 Euro teure Bescheinigung von TÜV oder DEKRA ermöglicht ihnen noch für ein Jahr freie Fahrt. Sie muss deutlich sichtbar im Fahrzeug liegen und lässt sich noch um ein weiteres Jahr verlängern. Für Reisebusse mit gelber Plakette gilt die Nachweispflicht bis Ende 2011 nicht, weil es für sie noch gar keine Filtersysteme gibt. Auch im Ausland zugelassene Euro-3-Fahrzeuge dürfen noch bis Ende 2011 in der Innenstadt fahren.
Wer sein Dieselfahrzeug für die grüne Plakette nachrüsten wollte, hatte in den letzten Wochen kaum eine Chance, noch rechtzeitig vor dem 1. Januar einen Rußfilter zu bekommen. Denn bei vielen Herstellern gibt es Lieferengpässe. Die Bezirksämter erteilen aber bereits seit einiger Zeit eine Ausnahmebescheinigung vom Fahrverbot, wenn von der Werkstatt eine Bestätigung für die verbindliche Bestellung eines Rußfilters vorliegt. Sie kostet 25 Euro und gilt nach Angaben der Senatsverwaltung für Umwelt solange, bis der Filter eingebaut ist. Um den Ärger über die Bürokratie nicht zu schüren, lenkte die Verwaltung auch beim Knöllchen-Austeilen ein: Bis Ende Januar sollen Plaketten-Sünder noch nicht zur Kasse gebeten werden.
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