: Umweltverbände umgefallen
Umweltminister Töpfers Konsensstrategie im Nationalen Komitee für die Umweltkonferenz in Rio doch erfolgreich/ In den Umweltverbänden hängt nach der Entscheidung der Haussegen schief ■ Von Hermann-Josef Tenhagen
Berlin (taz) — Wider Erwarten haben am Montag abend die Umweltverbände dem Nationalen Bericht für die Umweltkonferenz in Rio (UNCED) doch zugestimmt. Verbandsvertreter, unter ihnen der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Hubert Weinzierl, hatten noch am Mittag gesagt, daß der Nationale Bericht in dieser Form nicht zustimmungsfähig sei (taz von gestern). Am Abend stimmten sie nach marginalen Änderungen dem von Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) vorgelegten Konsenspapier doch zu. Die Bundesregierung muß einen solchen Bericht für die UNCED-Konferenz in Rio erstellen.
Das Papier lobt die BRD gleich im ersten Satz für ihre umweltpolitischen Anstrengungen und enthält nur versteckt hier und dort kritische Anmerkungen zur Rolle der Industriestaaten. Konkrete politische Forderungen waren in dem Perspektivbericht nicht enthalten. Reinhard Hermle, der für Misereor in dem Gremium saß, gestand gestern, daß, „wer den Prozeß mitgemacht hat, von dem Ergebnis einigermaßen enttäuscht ist“. Während der abschließenden Sitzung war der Bundesumweltminister und Vorsitzende des Komitees, Töpfer, abschnittweise vorgegangen und hatte hier ein Komma verschoben und dort eine kritische Anmerkung eingearbeitet, wie es ein Beobachter beschrieb. Entgegen den Ankündigungen hat es offenbar keine wirklichen Widerstände mehr gegeben. „Es hat keiner gesagt, daß er dem Papier nicht zustimmen kann“, so Hermle. Daher sei der Verzicht auf die formelle Abstimmung durch den Vorsitzenden Töpfer auch angemessen gewesen.
In den Umweltverbänden hing gestern der Haussegen mächtig schief. Die Präsidenten von BUND, Deutschem Naturschutzring (DNR) und Naturschutzbund waren nicht zu erreichen. Bei Mitarbeitern war von Frust, Katastrophe und Entsetzen die Rede. „Ach, es ist zum Kotzen“, so ein Kommentar. Der Pressesprecher des Naturschutzbunds, Schroeren, sagte der taz: „Da bin ich platt.“
Besonders bestürzt war man in der Projektstelle zur UNO-Umweltkonferenz, die BUND und Deutscher Naturschutzring zusammen mit Geldern aus dem Hause Töpfer eingerichtet haben. „Wir haben uns sehr bemüht, daß die Umweltverbände diesem Papier die Zustimmung verweigern“, so Barbara Unmüßig von der Projektstelle. Auch der Geschäftsführer des Deutschen Naturschutzrings, Helmut Röscheisen, wiederholte, daß das Perspektivenpapier „völlig unakzeptabel für uns war“. Sein Verbandspräsident Wolfgang Engelhardt, der zugestimmt hatte, habe ihm aber versichert, es wäre an dem Nachmittag zu substantiellen Änderungen gekommen.
Die substantiellen Änderungen laufen nach Angaben von Arno Behlau vom BUND vor allem auf zwei Punkte hinaus. Dort, wo die Fortschritte der Bundesrepublik in der Umweltpolitik gelobt worden seien, habe man hinzugefügt, daß einige strukturelle Veränderungen trotzdem noch nötig seien. Außerdem sei an einigen Stellen herumgefeilt worden, die von Drittweltstaaten als Einmischung der reichen, sorgenfreien Industrienationen hätten interpretiert werden können. Sowohl Behlau als auch Hermle verteidigten die Zustimmung. Schließlich sei es gelungen, den Industrievertretern im Gremium einige kritische Bemerkungen unterzujubeln. Kein Wort allerdings mehr von der Forderung nach konkreten Veränderungen unserer Lebensweise und über das Landwirtschaftskapitel, das die Bauernlobby erst im Januar in ihrem Sinne hatte umschreiben lassen.
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