Umweltschutz: Der Elbe Auen bleiben wild
Alle Vorländer der Südostspitze Wilhelmsburgs sind jetzt geschützt. Die Hafenbehörde baut einen Nebenarm, die HPA erwägt die Öffnung der Alten Süderelbe.
Der harte Winter ermöglicht Anschauungsunterricht darüber, was das Elbvorland zu einem besonderen Lebensraum macht. An der Bunthäuser Spitze, dort wo sich die Elbe in einen nördlichen und einen südlichen Arm spaltet, hat die Flut Eisschollen ins Röhricht gedrängt. Was hier wuchs, ward abrasiert und macht Platz für Pionierarten, die ohne diese alle paar Jahre wiederkehrende "Eisschur" kaum eine Chance hätten: den Schierlings-Wasserfenchel, die Wiebelschmiele, das Wassergreiskraut.
Am Dienstag hat der Senat beschlossen, das Vorland beiderseits der Bunthäuser Spitze bis hinauf zur Autobahn als neues Naturschutzgebiet auszuweisen. Im Süden stößt es nach gut einem Kilometer an das existierende Naturschutzgebiet "Heuckenlock". Das neue Naturschutzgebiet "Auenlandschaft Norderelbe" schließt auf der Elbinsel den Kreetsand ein und auf dem jenseitigen Ufer die Spadenländer Spitze sowie die Billwerder Insel mit den ehemaligen Filterbecken der Wasserwerke.
Das Schutzgebiet geht auf einen acht Jahre alten, ähnlichen Vorschlag des Naturschutzverbandes Göp zurück. Den Naturschützern und der Umweltbehörde spielte dabei in die Hände, dass auch bei der Hafenbehörde HPA die Erkenntnis gereift ist, dass der Elbe Vordeichsflächen guttun.
Nach dem Hummelsbütteler Moor und dem Rotsteinsmoor ist die Auenlandschaft Norderelbe seit 2008 das dritte neue Naturschutzgebiet und in Hamburgs das 31.
Mit 2,22 Quadratkilometern ist es das Neuntgrößte.
Das Besondere an dem Gebiet ist, dass es über die Elbe den Gezeiten ausgesetzt ist. Mit dem Schierlings-Wasserfenchel beherbergt es Pflanzen, die nur an der Unterelbe gedeihen. Es gibt von ihm unwesentlich mehr Exemplare als vom Panda-Bären.
8,4 Prozent der Landesfläche stehen jetzt unter Naturschutz, den Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer nicht mitgerechnet.
Durch die vielen Elbvertiefungen der vergangenen 100 Jahre ist die Tide sehr dynamisch geworden. Statt 1,50 Meter wie im Jahr 1871 beträgt der Unterschied zwischen Ebbe und Flut heute 3,50 Meter. Nach der jüngsten Vertiefung 1999 / 2000 wuchs die Menge des Sediments, das mit der Flut stromaufwärts gespült wurde, sprunghaft an - so stark, dass die Hafenbauer Mühe haben, mit dem Baggern hinterherzukommen. Zusätzliche Vordeichsflächen und Nebenarme können diesen Effekt dämpfen, hofft die HPA.
Die Unterschutzstellung sichert das bestehende Vorland und auch Vorländer, die erst in jüngster Zeit wiederhergestellt wurden, wie die Spadenländer Spitze und den Kreetsand. Auf Kreetsand wurde die Deichlinie in den Jahren 2000 und 2001 zurück verlegt. Jetzt will die HPA hier hinter einer schmalen Landzunge ein Flachwassergebiet anlegen. Es soll dem Elbwasser als Stauraum und Tieren und Pflanzen als Lebensraum dienen.
"Das ist ein Paradebeispiel dafür, wie die Elbe als doppelter Gewinner aus einer Planung hervorgehen kann", sagt Christian Michalczyk von der Umweltbehörde. Das Rückdeichen und Abbaggern des Kreetsandes sei ein Pilotprojekt im Rahmen des Tideelbekonzepts, mit dem die HPA den Fluss Weise bändigen wolle, sagt Jörn Gutbrod von der Hafenbehörde. 40 Millionen Euro koste das mit einer Bauzeit von drei Jahren veranschlagte Vorhaben auf Kreetsand. Weitere Ideen würden geprüft. "Die wichtigste wäre die Öffnung der Alten Süderelbe", sagt Gutbrod.
Das neue Schutzgebiet wird vom Angelsportverband und der Göp betreut, die 2006 hinter der Bunthäuser Spitze ein Tideauenzentrum eingerichtet hat. In den Jahren ohne Eisschur beseitigen die Ehrenamtlichen der Göp per Hand wuchernde Pflanzen wie das Drüsige Springkraut oder den Japanischen Staudenknöterich, aber auch den Müll, der im Schutzgebiet angeschwemmt wird. Die Manpower der Angler ist dabei hilfreich.
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