: Umweltschutz auf Verfassungspapier
■ Bremer Grüne tolerieren Aufnahme des Umweltschutz als „Staatsziel“ in die Landesverfassung / SPD kam Grünen entgegen / Forderung nach umfangreichem Schutzkatalog von SPD an Ausschüsse verwiesen
Aus Bremen Klaus Wollschner
Bremen (taz) - Die Stimmung war gereizt in der Bremer Bürgerschaft, als es um die Aufnahme eines Umweltschutz–Artikels in die Landesverfassung ging. Die Hinterbänkler der SPD–Fraktion klopften sich die Finger wund, wenn rhetorische Schläge gegen die Grünen gelandet wurden. Abgeordneter Tepperwien verriet, warum: „Es stimmt, wir haben nachgegeben.“ Umweltschutz solle ein „hochrangiges Staatsziel neben anderen“ werden, begründete SPD– Fraktionsvorsitzender Kunick. Aber eben nur neben anderen, denn Schäden sollen nur dann ausgeglichen werden, wenn das finanziell vertretbar ist: „Durch großangelegten Raubbau sind in den vergangenen Jahrhunderten Landschaften so gründlich zerstört worden, daß die Naturkreisläufe ganzer Regionen irreparabel geschädigt wurden. (...) Gerade die letzten Generationen vor uns haben soviel von unserer Erde, von der Natur verbraucht, daß die Folgen mit Geld nicht mehr zu heilen sind.“ Ursprünglich hatte deswegen der seit zwei Jahren erarbeitete Textentwurf nur versprochen, daß Schäden im Naturhaushalt „möglichst zu beheben oder auszugleichen“ seien. Nachdem die Grünen ihre Abgeordneten am Montag verpflichtet hatten, diese Verfassungsänderung im Parlament mit einem „Nein“ scheitern zu lassen, wenn es keine Einstimmigkeit gebe, muß ein Volksentscheid über die Verfassungsänderung stattfinden. Nach drei turbulenten Tagen hatten sich gestern CDU und SPD auf die Streichung des Wörtchens „möglichst“ eingelassen. Den Grünen war dies nur eine kosmetische Korrektur. Ursprünglich hatten sie verlangt, daß der Umweltschutz als von jedermann einklagbares „Grundrecht“ dem Grundrecht auf Menschenwürde gleichgestellt wird. Christine Bernbacher erklärte: „Die Natur verträgt keine Kompromisse mehr“. Die Grünen hatten sich auf den SPD–Formulierungstext zeitweise eingelassen, wenn dafür ein umfangreicher Maßnahmekatalog beschlossen würde: insbesondere die Umweltverträglichkeitsprüfung, eine Bodenkartierung und kleinräumige Luft–und Wassermessungen. Wenn diese Maßnahmen nicht beschlossen würden, sei das ein Indiz dafür, daß die SPD es mit dem Verfassungstext nicht ernst meine. Es endete, wie es im Parlament enden muß: die SPD verwies die Forderungen der Oppositionsparteien an die Ausschüsse. Die Grünen verließen bei der Verfassungsabstimmung den Saal, sie wollten die „Einstimmigkeit“ nicht verhindern, andererseits aber auch nicht den Eindruck von Einigkeit hinterlassen.
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