Umweltministerin über Solarförderung: "Ein Kompromiss ist nötig"
Für 3 Euro mehr auf der Stromrechnung darf man nicht die ganze Solarbranche riskieren, meint die rheinland-pfälzische Umweltministerin Margit Conrad.
taz: Frau Conrad, der Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat entscheidet heute über einen Kompromiss zur geplanten Kürzung der Solarförderung. Wie wird der aussehen?
Margit Conrad: Ein Kompromiss ist möglich; er könnte in einem Paket bestehen, das beide Seiten akzeptieren können. Erstens: Die Absenkung der Tarife für Dachanlagen sollte nicht bei minus 16 Prozent liegen, sondern moderater ausfallen. Nachdem die Tarife zum Jahresanfang bereits um 9 Prozent abgesenkt worden waren, wäre ein so drastischer Rückgang für die Branche nicht verkraftbar. Zweitens sollte es einen "Bonus" für besonders innovative Anlagen geben. Integrierte Dach- oder Fassadenanlagen etwa sollten eine weniger starke Absenkung erfahren als Auf-Dach-Anlagen. In der Innovation liegt die Stärke der Solarindustrie, aber auch ihre Zukunft. Solche innovativen Anlagen sind zudem noch teurer als Serienprodukte. Und drittens sollte auf den sogenannten Deckel verzichtet werden.
Das müssen Sie erklären!
Margit Conrad, 57, ist SPD-Mitglied und arbeitet seit 2006 als Staatsministerin für Umwelt, Forsten und Verbrauch in Rheinland-Pfalz.
Im Gesetz ist vorgesehen, dass sich die Höhe der Tarife nach der Höhe des Zubaus der installierten Anlagen richtet. Werden beispielsweise 2010 Anlagen mit einer Leistung von bis zu 5.500 Megawatt installiert, so reduzieren sich die Tarife zusätzlich zur Basisabsenkung von 9 Prozent noch einmal um 2 Prozent. Werden noch mehr zugebaut, müsste die Branche eine weitere Tarifsenkung um insgesamt 13 Prozent verkraften. Wegen der geplanten drastischen Reduzierung der Einspeisevergütung gibt es zurzeit einen Solarboom sowohl bei Dach- als auch bei Freiflächenanlagen, deren Förderung nahezu eingestellt wird. Branchenprognosen gehen 2010 von einem Zubau über 6.000 Megawatt aus.
Verbraucherschützer monieren, dass der Solarboom den Strompreis treibt. Ist es nicht richtig, da über das Preissystem eher auf die Bremse zu treten?
Ich bin in Rheinland-Pfalz nicht nur Umweltministerin, sondern auch zuständig für den Verbraucherschutz. Es liegt im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher, dass die erneuerbaren Energien für Wettbewerb sorgen und bereits heute, erst recht in Zukunft, zur Stabilität bei den Strompreisen beitragen. Auch unter Berücksichtigung der Zahlen des Bundesumweltministeriums würde sich der Vorschlag des Bundesrates nur marginal auf die EEG-Umlage auswirken, um 0,1 bis 0,2 Cent pro Kilowattstunde. Das bedeutet gegebenenfalls für einen Vier-Personen-Haushalt zwischen 3 und 7 Euro pro Jahr. Ein Betrag, der im Rauschen der Strompreisentwicklung untergeht, die mehr von Brennstoffkosten oder der Marktmacht von Stromanbietern abhängt. Verbraucherschutz ist kein Argument, diese Zukunftsbranche zu gefährden, die regionale Wirtschaftskraft stärkt und das Klima schützt.
Es ist unbestritten, dass die Solarförderung für die Anlagenbetreiber ein gutes Geschäft ist.
Moment! Hier geht es um den Industriestandort für die Zukunftstechnologie Solar. Wer dort heute in Forschung und Arbeitsplätze investiert, muss diese Investition erst über Jahre verdienen. Diese Branche braucht kostendeckende, degressive Einspeisevergütung. Davon hat sich die Bundesregierung entfernt. Wir müssen den Atem haben, auch die Massenproduktion zu entwickeln, um schnell die Netzparität zu erreichen: jenen Punkt, an dem Sonnenstrom vom Dach, selbst genutzt, genau so teuer ist wie Strom aus der Steckdose. Dies macht die Solarförderung billig und schafft auch Wettbewerb im Stromsektor: absolut im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher.
Trotzdem erklärte die Bundesregierung, an ihren Plänen nichts mehr ändern zu wollen. Wieso sind Sie optimistisch, dass es heute zum Kompromiss kommt?
Weil wir einen Kompromiss brauchen. Die Arbeitsgruppe greift Signale in der Diskussion auf, und die Vertreter von Bundestag und Bundesrat haben die Zahlen abgeglichen. Auch der Bundestag wird anerkennen, dass 3 Euro mehr auf der Stromrechnung nicht rechtfertigen, eine ganze Branche aufs Spiel zu setzen. Auch in der Union gibt es Kräfte, zum Beispiel in den Ländern, die einen Kompromiss unterstützen.
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