Umstrittener Tiefseebergbau: Das Norwegen-Paradoxon
Immer mehr Länder rufen auf der UN-Konferenz in Nizza zum Schutz der Ozeane auf. Doch die Regierung in Oslo verfolgt weiter andere Ziele.

Die Regierung in Oslo will zwar nicht in internationalen Gewässern schürfen. Aber sie plant Mineralabbau in eigenen Hoheitsgebieten und steht auch damit seit langem in der Kritik. Bisher zeigte sie sich immun dagegen. Auch dass sich Frankreich, Deutschland und mehr als 30 weitere Länder für ein Moratorium in internationalen Gewässern einsetzen oder dass Fachleute und Umweltschutzverbände im In- und Ausland unermüdlich vor den negativen Umweltfolgen warnen, löste bislang jedenfalls keine Trendwende aus.
Der Tenor aus Oslo in etwa: Norwegen, die Offshore-Öl- und Gas-Nation, ist extrem kompetent in diesen Dingen. Technik, Know-how, Daten. Wir machen das ganz vorsichtig und passen dabei gut auf die Umwelt auf.
„Norwegen überschätzt sich“, schreibt Meeresbiologin Franziska Saalmann von Greenpeace der taz. Die Öl- und Gasförderung sei nur sehr begrenzt mit dem Tiefseebergbau vergleichbar. Außerdem trage das Land mit seiner fossilen Industrie ohnehin zum Biodiversitätsverlust bei. „Nun wollen sie ausgerechnet in der sensiblen Arktis mit der nächsten zerstörerischen Industrie starten“, kritisiert Saalmann. Bereits der erste geplante Schritt, die nähere Untersuchung der von Norwegen dafür eingeplanten Gebiete im Nordmeer, könne unumkehrbare Schäden verursachen.
Norwegen verfolgt wirtschaftliche Interessen
Noch wurden keine Lizenzen an kommerzielle Akteure vergeben, was für 2025 geplant ist. Die Sozialistische Linkspartei (SV) hatte die Regierung vorerst ausgebremst, als sie ihre Zustimmung zum Staatshaushalt im vergangenen Jahr vom Stopp des Prozesses abhängig machte.
Ministerpräsident Jonas Gahr Støre (Arbeiderparti) sagte damals direkt, dass die Pläne nur aufgeschoben seien. In diesem September wird in Norwegen gewählt, dann gibt es womöglich neue Mehrheiten. Greenpeace wertet die Verzögerung bereits als Erfolg des auch internationalen Drucks: „Ganz unbeeindruckt ist die norwegische Regierung nicht“, meint Saalmann. Bisher überwiege aber offenbar noch der Wille, sich weiter als Rohstoffnation zu positionieren.
In Kürze will Norwegen den jüngsten Schritt vorstellen: die detaillierte Regulierung der Lizenzvergabe – auch am Entwurf hierfür hatte es in einer öffentlichen Anhörung vorab wieder viel Kritik gegeben.
Franziska Saalmann, Meeresbiologin bei Greenpeace
„Es ist paradox: Ausgerechnet ein Land, das sich gern als grüner Vorreiter inszeniert, ignoriert bei der aktuell größten drohenden Gefahr für die Meere das Vorsorgeprinzip“, so Saalmann. „Wirtschaftliche Interessen und geopolitischer Ehrgeiz scheinen schwerer zu wiegen, als jegliche Vernunft – noch.“
UN-Ozeankonferenz geht noch bis Freitag
Akteure wie das norwegische Meeresforschungsinstitut HI weisen immer wieder auf den mangelnden Wissensstand über die sensiblen Ökosysteme am Meeresgrund hin. Zuletzt forderte HI, dass bei kommerziellen Erkundungsversuchen des Meeresbodens unabhängiges wissenschaftliches Fachpersonal an Bord sein müsse – und dass die Regierung dies gesetzlich festschreiben solle.
Greenpeace gehört nicht zu den Akteuren, die Kompromissvorschläge machen. „Tiefseebergbau kann weder ökologisch, ökonomisch noch ethisch vertretbar sein“, sagt Meereskampaignerin Saalmann.
Sie fährt bald zum zweiten Mal auf eine Expedition, bei der Meeressäuger in der betreffenden Region dokumentiert werden. Allein der Lärm, der durch Tiefseebergbau-Aktivitäten entstehe, könne erhebliche Auswirkungen auf sie haben. „Die norwegische Regierung muss diese Gefahren endlich angemessen berücksichtigen“, fordert sie.
Empfohlener externer Inhalt
Oslo begründet, man brauche Übergangsmetalle wie Mangan für die grüne Transformation. Greenpeace fordert hingegen, auf effektiveres Recycling, eine funktionierende Kreislaufwirtschaft und nachhaltigere Alternativen zu setzen.
Von der an diesem Freitag zu Ende gehenden UN-Ozeankonferenz erwartet Greenpeace wichtige Signale: „Die drohende Gefahr von Tiefseebergbau ist hier in Nizza in aller Munde“, schreibt Saalmann von vor Ort. Kurz vor der Tagung der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) Ende Juni erzeuge die UN-Konferenz so ein wichtiges Momentum und zeige internationalen Zusammenhalt. Viele Staaten verurteilten die jüngsten Trump-Vorstöße. Und die Zahl der Staaten, die ein Moratorium fordern, sei nun auf 37 gestiegen.
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