Umstrittener Klimaschutzdeal in Liberia: Keine Axt im Walde

Das Unternehmen Blue Carbon will für den Schutz einer Million Hektar Wald in Liberia CO2-Zertifikate erhalten. Umweltschützer kritisieren den Deal.

Palmenwald

Die Hälfte des Regenwalds in Westafrika liegt in Liberia Foto: Foto: Peter Schickert/imago

Auf einen großen Bildschirm leuchtet ein Luftbild von sprießendem, hellgrünen Regenwald, durchzogen von tiefblauen Flußadern. An einem Tisch davor sitzt Liberias Finanzminister Samuel Tweah, gekleidet in einen hellen grauen Anzug, neben ihm, im traditionellen weißen Thawb, Scheich Ahmed Dalmook Al Maktoum, Mitglied der königlichen Familie von Dubai und Vorstandschef von Blue Carbon.

Der Begriff bezeichnet in der Klimawissenschaft eigentlich Kohlendioxid, das von den Ozeanen eingefangen wird. Al Maktoums Unternehmen aber geht es um Kohlenstofff, der in den Regenwäldern Afrikas gespeichert ist. Eine „Memorandum of Understanding“ (MoU) genannte Absichtserklärung dafür unterzeichneten Tweah und Al Maktoum im März 2023 in Dubai.

Eine Million Hektar Wald soll Blue Carbon 30 Jahre lang kontrollieren – und dafür so genannte CO2-Zertifikate erhalten. Dabei handelt es sich um Gutschriften für Emissionen, die anderen das Recht geben, ihrerseits Treibhausgase zu emittieren. Für viele afrikanische Regierungen sind diese eigentlich als Klimaschutzmaßnahme gedachten CO2-Zertifikate heute ein einfacher Weg, um an dringend benötigtes Geld zu kommen. Kenias Präsident William Ruto nannte sie vor kurzem eine „beispiellose wirtschaftliche Goldmine“.

Im Fall Liberias sollen sie dadurch entstehen, dass der Regenwald entweder nicht abgeholzt, geschützt oder wiederaufgeforstet wird.

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50 Milliarden Dollar soll die Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate angeblich für das Projekt in einen Klimaschutzfonds einzahlen. Im geleakten MoU ist allerdings keine Summe genannt. Blue Carbon bekommt die Kontrolle über Wälder in den Bezirken Margibi, Sinoe, Lofa, Gbarpolu und River Cess. Der Erlös aus dem Verkauf der CO2-Zertifikate soll zu 70 Prozent an Blue Carbon und zu 30 Prozent an die liberianische Regierung fließen. Betroffene Gemeinden sollen die Hälfte dieses Anteils erhalten – verlieren aber die Kontrolle über ihre Wälder.

Staaten können sich die Einhaltung ihrer Klimaziele erkaufen

Das Abkommen mit Liberia sei ein „Meilenstein“, um die „Netto-Null-Ziele“ gemäß Artikel 6 des Pariser Abkommens zu erreichen, sagte Al Maktum bei der Unterzeichnungszeremonie der Absichtserklärung im März 2023 in Monrovia. Tatsächlich verursachen die VAE durch ihr ungebremstes Öl- und Gasgeschäft weiterhin massenhaft Treibhausgase. Diese wollen sie durch ihr eigenes Carbon-Credit-Programm formal ausgleichen.

Der erwähnte Artikel 6 des Pariser Abkommens ist höchst umstritten, weil seine Regeln sehr vage sind. Blue Carbon will vor allem CO2-Gutschriften für Nichtabholzung generieren. Ob das überhaupt im Sinne des Pariser Klimaabkommens ist, sollte auf der UN-Klimakonferenz COP28 im Dezember 2023 in Dubai festgelegt werden – die die Arabischen Emirate, also der Eigner von Blue Carbon, ausrichteten. Unter anderem viele EU-Staaten waren dagegen, Waldschutzmaßnahmen für den staatlichen Emissionshandel zuzulassen. Denn so können Staaten sich die Einhaltung ihre nationalen Klimaziele erkaufen, ohne selber Emissionen zu reduzieren oder etwas für das Klima zu tun. Eine finale Einigung darüber gab es in Dubai nicht.

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Man freue sich, mit Blue Carbon zusammenzuarbeiten, um „unsere Wälder vor Zerstörung und Abholzung zu schützen“, sagte Liberias Finanzminister Samuel Tweah. Dies sei ein „weiterer Schritt in Richtung Nachhaltigkeit, um nahtlos Netto-Null-Kohlenstoffemissionen zu erreichen“, so Tweah.

Die Hälfte des Regenwalds in Westafrika liegt in Liberia

Die Hälfte des verbleibenden Regenwalds in Westafrika liegt in Liberia. Die Bäume absorbieren Treibhausgase und können so dazu beitragen, die Auswirkungen des Klimawandels zu verringern. 2010 waren es noch 9,16 Millionen Hektar Naturwald, auf über 97 Prozent der Landesfläche. Heute sind es nur noch 68 Prozent.

Der Wald ist Heimat von seltenen Waldelefanten, Zwergflusspferden und Schimpansen. Rund ein Drittel der etwa fünf Millionen Ein­woh­ne­r:in­nen Liberias leben in den dichten Wäldern des Landes. Der trägt mit 10 Prozent zur Wirtschaftsleistung Liberias bei und schafft rund 40.000 Arbeitsplätze – da sind Einnahmen für den Schutz der Wälder und die CO2-Reduktion noch nicht enthalten.

Formell ist der Wald gut geschützt, praktisch jedoch nur unzureichend. Auf dem Environmental Performance Index, der die Umsetzung vom Umweltschutzgesetzen misst, landete Liberia 2022 auf Platz 174 von 180 Staaten und auf dem letzten Platz in Afrika südlich der Sahara.

Es ist vor allem Korruption, die die Verabschiedung, die Umsetzung und die Anwendung von Umweltvorschriften beeinträchtigt. Illegaler Holzeinschlag ist weit verbreitet. Wer Umweltverschmutzungen verursacht oder natürliche Ressourcen ausbeuten will, schmiert oft die Forstbehörden. Die sind ohnehin schwach aufgestellt und entsprechend korruptionsanfällig. Durch die Holzindustrie und Kleinbauern sind seit dem Jahr 2000 etwa ein Fünftel der Waldfläche des Landes verloren gegangen. Allein 2022 waren es nach Angaben von Global Forest Watch rund 150.000 Hektar.

Um dagegen vorzugehen, trat Liberia 2011 dem FLEGT-Programm der EU bei, einem bilateralen Abkommen zwischen der EU und acht holzexportierenden Staaten, das die Nachhaltigkeit der Forstwirtschaft sichern soll. Zudem ist Liberia eines der 141 Länder, die sich in der Glasgow Leader's Declaration verpflichtet haben, den Waldverlust „bis 2030 zu stoppen und umzukehren“.

Organisationen fordern den Stop des Blue Carbon Deals

Das Geschäft mit den CO2-Zertifikaten ist dabei ein neues Phänomen in Liberia. Mit ihnen wird der Klimawandel von reicheren Nationen genutzt, um in afrikanische Länder wie Liberia einzudringen, die auf ihre Hilfe angewiesen sind. Im Angesicht der Klimakrise und der zahlreichen Putsche in Westafrika bauen China und andere Staaten ihren Einfluss aus – unter anderem mit Klimaschutzinitiativen wie Blue Carbon. Über Liberia hinaus hat das Unternehmen Absichtserklärungen mit den Regierungen von Papua-Neuguinea, Tansania, Sambia, Simbabwe, Kenia und womöglich auch Angola geschlossen.

Dutzende internationale Umweltschutzorganisationen fordern in Petitionen den Stop des Blue Carbon Deals in Liberia. „Die betroffenen Gemeinden wurden nicht ausreichend konsultiert und darüber aufgeklärt, wie dieses Geschäft zustande kam“, sagt Richard Sam vom Sustainable Development Institute. Vorgeschrieben ist, dass Gemeinden eine „freie, vorherige und informierte Zustimmung“ zu Waldkonzessionen in ihren Gebieten geben. Lokale Medien haben berichtet, dass die Bewohner dieser Gemeinden nie zu dem Blue-Carbon-Deal befragt wurden. Die Umwelt-NGO Independent Forest Monitoring Coordinating Mechanism sieht in der Übertragung der Landrechte an Blue Carbon einen Verstoß gegen das Eigentum der Gemeinden an ihrem gewohnheitsmäßigen Land. „Die Vermarktung des Waldkohlenstoffs hat eindeutige Auswirkungen auf die Eigentumsrechte, da sie die Rechte der Gemeinschaften berührt, zu bestimmen, wie ihr Land genutzt wird“, so die IFMCM.

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