Umstrittener Kandidat für Interpol: So werden Diktaturen normalisiert

Ein Emirati unter Folterverdacht könnte Interpol-Präsident werden. Die Organisation hat aber eine Wahl – und sollte sich besser anders entscheiden.

Ein großes Gebäude hinter Bäumen.

Interpol-Zentrale im französischen Lyon Foto: Dirk sattler/imago

Es ist ja richtig, dass der Präsident von Interpol nicht das Tagesgeschäft der internationalen Polizeiorganisation führt. Der eigentlich wichtige Posten ist der des Generalsekretärs. Doch sich darauf auszuruhen und einen Kandidaten zum Präsidenten zu wählen, dem Folter vorgeworfen wird, ist, als ob man sagte: Lasst uns einen Neonazi zum Bundespräsidenten machen, die Regierungsgeschäfte führt ja die Kanzler*in.

Auch dass Ahmed Nasser Al-Raisi bislang nicht verurteilt, sondern nur wegen Foltervorwürfen angeklagt ist, ist nicht von der Hand zu weisen. Zunächst gilt die Unschuldsvermutung. Doch das Präsidentenamt ist von hoher symbolischer Bedeutung und Al-Raisi ist ein Vertreter des Regimes der Emirate, das Menschenrechte ohne jeglichen Zweifel mit Füßen tritt. Interpols Generalversammlung wäre also gut beraten, nicht für Al-Raisi zu stimmen. Eine Gegenkandidatin ist ja bereits im Rennen.

Hohe Ämter können genauso dem Whitewashing autoritärer Herrschaft dienen wie etwa Konzerte der Wiener Philharmoniker. Diese lassen sich aktuell von Ägyptens Regime einspannen: Sie spielen ihre Konzerte am Wochenende nicht für die Ägyp­te­r*in­nen in Kairo, sondern eröffnen in Diktator Sisis neuer Prestigehauptstadt das Opernhaus.

Es ist die Symbolik, stupid!

Mit Autokraten muss man reden – siehe Merkel mit Lukaschenko –, mit den Bevölkerungen muss man in Austausch treten. Aber manche Dinge kann man auch einfach sein lassen. Es ist die Symbolik, stupid!

Klar, Symbolik schadet niemandem direkt. Aber sie normalisiert die Autokraten dieser Welt und ihr groteskes Vorgehen gegen Andersdenkende. Während Interpol Gefahr läuft, den Emiraten den Hof zu machen und die Wiener Philharmoniker mit Schubert und Mozart Ägyptens Militärherrschern den Hintern pudern, schmoren unschuldige Ak­ti­vis­t*in­nen wie Ahmed Mansoor in den Emiraten oder Alaa Abdel Fattah, der am Donnerstag seinen 40. Geburtstag in ägyptischer Haft „gefeiert“ hat, in den Kerkern.

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ist Redakteur für Nahost & Nordafrika (MENA). Davor: Online-CVD bei taz.de, Volontariat bei der taz und an der Evangelischen Journalistenschule Berlin, Studium der Islam- und Politikwissenschaft in Berlin und Jidda (Saudi-Arabien), Arabisch in Kairo und Damaskus. Er twittert unter twitter.com/jannishagmann

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