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Umstrittene Wahl in der OstukraineSeparatisten auf Urnengang

Die prorussischen Separatisten halten heute Wahlen ab. Kiew sieht darin einen Verfassungsbruch. In der Region kam es erneut zu Gefechten.

Schlange vor dem Wahllokal in Donezk. Bild: dpa

DONEZK dpa | In der krisengeschüttelten Ostukraine wollen die militanten Aufständischen am Sonntag trotz internationaler Kritik Wahlen abhalten. Die prorussischen Separatisten wollen mit der Abstimmung auch ihre Unabhängigkeitsansprüche bekräftigen. Die proeuropäische Führung in Kiew kritisiert die Wahl in den selbst ernannten „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk als verfassungswidrig. Sie sieht die abtrünnigen Gebiete als Teil ihres Staatsgebiets.

Auch vom Westen wird die Abstimmung kritisiert. Dagegen will Russland das Ergebnis anerkennen. Die Wahl findet von 6.00 Uhr bis 18.00 Uhr (MEZ) statt. Die Abstimmung an diesem Sonntag erfolge „auf höchstem Niveau“, sagte Separatistenführer Alexander Sachartschenko am Samstag in Donezk. Für die Abstimmung in den selbst ernannten „Volksrepubliken“ Lugansk und Donezk sei „alles bereit“.

Bei den Abstimmungen wählen die Separatistenhochburgen an diesem Sonntag getrennt ihren „Republikchef“ und ihre Vertretung. In Donezk sollen 100 Abgeordnete bestimmt werden, in Lugansk sind es 50. Die Zahl der Wahlberechtigten gilt als unklar, weil in den vergangenen Monaten Hunderttausende wegen der Kämpfe aus der Region geflüchtet sind. In Donezk seien 3,2 Millionen Stimmzettel gedruckt worden, in Lugansk rund eine Million, hieß es.

Die prowestliche Führung in Kiew betonte erneut, dass die Abstimmung verfassungswidrig sei. Die Organisatoren der Wahl würden „die volle Härte des Gesetzes“ zu spüren bekommen, sagte ein Justizsprecher. Ein kürzlich in Kraft getretenes Gesetz sieht Kommunalwahlen in der Krisenregion am 7. Dezember vor. Dies lehnen die Aufständischen ab.

Gefechte trotz vereinbarter Feuerpause

Überschattet wurden die Vorbereitungen von erneuten Gefechten zwischen Regierungseinheiten und moskautreuen Aufständischen. Dabei starben mindestens sechs Armeeangehörige, zehn weitere Soldaten wurden verletzt, wie der Sicherheitsrat in Kiew mitteilte. Damit kamen Schätzungen zufolge allein in den vergangenen zehn Tagen mehr als 300 Menschen ums Leben – trotz einer seit Anfang September geltenden Feuerpause in der Krisenregion. Den Vereinten Nationen zufolge starben bei dem Konflikt seit April mehr als 4000 Menschen.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) rief Moskau auf, zu einer Lösung beizutragen. Russland müsse seine Möglichkeiten nutzen, um bei der Umsetzung der Friedensvereinbarungen zu helfen, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung. „Das gilt an diesem Wochenende besonders beim Umgang mit den Abstimmungen, die von den Separatisten in der Ostukraine abgehalten werden sollen“, sagte Steinmeier.

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16 Kommentare

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  • Mir geht immer noch die Formilierung der "vollen Härte" nicht aus dem Kopf. In dem unten verlinkten Video betrauert ein Ehepaar im Donbass inmitten der Ruinen seines Hauses den getöteten Sohn. Ist man in Kiew ernsthaft der Meinung, die Bevölkerung des Donbass würde sich freiwillig wieder Kiew anschließen???

    Und der saubere Herr Steinmeier, wann fordert er mal ernsthaft Kiew auf, mit dem Beschuß von Zivilisten aufzuhören, und daß mal die Nationalgarde und Kolomojskis Bataillone an die Kette gelegt werden?

    http://www.youtube.com/watch?v=v5zorK75S1M

  • @SB123

    Tatsächlich, die Kommunisten waren bei der Wahl nicht dabei? Darüber wird sich ''Deutsch-Pole'' sicher freuen, der vertrat nämlich die These, die Volksrepubliken seien kommunistisch. Dass ukrainische Nationalisten nicht teilnehmen durften, halte ich für richtig. Die respektieren ja schliesslich die elementarsten Menschenrechte nicht.

    • @Frotzelphilip:

      @Deutschpole

      ‘‘Der_Peter‘‘ hat Ihnen anschaulich beschrieben, was für Typen da auf den Listen der ukrainischen Nationalisten kandidieren. Und solche Parteien wollen Sie ernsthaft zulassen? Mann, das wäre wie wenn in Polen oder im Elsass wieder eine Nazipartei zu den Lokalwahlen antreten würde mit dem Slogan ‘‘Für ein einiges Grossdeutschland‘‘. Wussten Sie, dass die Kiewer Junta den ukrainischen Naziführer Stepan Bandera allen Ernstes zum Nationalhelden ernennen will? Diesen Rechtsextremen muss man einen Riegel vorschieben.

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @Frotzelphilip:

      "Alexander Sachartschenko war Elektriker, Unternehmer und Militärkommandant. Der erklärte Leninist soll 80 Prozent der Stimmen erhalten haben."

       

      So so, keine Kommunisten... tja soviel dazu...

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @Frotzelphilip:

      Ja, es soll halt demokratisch aussehen... gell!

    • @Frotzelphilip:

      Und gestern, in der ukrainischen "Schuster-Live"-Show"im Fernsehen, kündigt der Chef des Freiwilligenbataillons "Dnjepr-1", Juri Beresa, an, er wolle auf dem Gebiet der Russischen Förderation Terrorakte verüben.

      http://www.youtube.com/watch?v=ZI324dneCjk#t=10

      Na super. :-/

      • @Der_Peter:

        Ich vergaß zu sagen, daß dieser Radikale ins ukrainische Parlament gewählt wurde.

  • Mit den Wahlen macht der Donbass einen weiteren grossen Schritt Richtung Unabhängigkeit. Diese ist m.E. unumkehrbar, nach all den Verbrechen der ukrainischen Armee, den Tausenden von Toten und hunderttausenden Vertriebenen ist die Wut des Donbass auf die Ukraine schlicht zu gross, als dass er sich je wieder der ukr. Besatzung unterordnen würde.

     

    @der Peter

    Die Verlautbarungen aus Kiew über ein Strafverfahren gegen die Wahl sind tatsächlich grotesk. Die Kiewer Junta hat den Bezug zur Realität längst verloren.

     

    @Deutsch-Pole

    Unsinn. Volksrepubliken nennen sich die jetzt freien Republiken, weil sie damit ihre Volksnähe demonstrativ unterstreichen wollen und einen Kontrast zum abgehobenen Kiewer Oligarchenklüngel setzen wollen.

    • @Frotzelphilip:

      @Deutschpole

      Die Volksrepubliken sind jetzt frei. Von Ihren leicht angestaubten antikommunistischen Parolen werden die sich kaum beeindrucken lassen. Ich wusste immer, dass die Freiheit nicht unterzukriegen ist und die ukrainische Besatzung eines Tages zu Ende gehen wird.

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @Frotzelphilip:

      "Volksrepubliken nennen sich die jetzt freien Republiken, weil sie damit ihre Volksnähe demonstrativ unterstreichen wollen[...]"

       

      Genau wie die komunistsichen Terrorregime des Ostblocks. Ein Schelm wer böses dabei denkt...

      • @4845 (Profil gelöscht):

        Wenn Sie sich Mühe geben, werden sie noch mehr Aehnlichkeiten mit den bösen ''kommunistischen Terrorregimes'' finden. Stellen Sie sich nur vor - in Lugansk und Donezk wird russisch gesprochen, wie auch im oberbösen Moskau.

         

        Im Donbass stört sich niemand am Wort Volksrepublik. Und schlechte Erinnerungen an den Kommunismus haben die meisten auch nicht. Die völlig verarmte Ukraine mit ihren Oligarchen, miserablen Löhnen, Kriminalität und Korruption lässt bei den meisten eher nostalgische Gefühle an die UdSSR aufkommen.

         

        Die Volksrepubliken sind beim Volk einiges populärer als die Ukraine. Um die Gebiete zur Ukraine zurückzuholen, müssten Sie den Bewohnern von Donezk und Lugansk schon etwas mehr bieten als hoffnungslos veraltete antikommunistische Parolen, von denen wird nämlich niemand satt.

        • 4G
          4845 (Profil gelöscht)
          @Frotzelphilip:

          Da unterstellen Sie mir völlig haltlos einen Russenhass, den ich auch nirgends so geäußert habe.

           

          "Im Donbass stört sich niemand am Wort Volksrepublik. Und schlechte Erinnerungen an den Kommunismus haben die meisten auch nicht. Die völlig verarmte Ukraine mit ihren Oligarchen, miserablen Löhnen, Kriminalität und Korruption lässt bei den meisten eher nostalgische Gefühle an die UdSSR aufkommen."

           

          Die einen bevorzugen offensichtlich lieber Pest, die anderen lieber die Cholera... Wenn die Leute im Donbass das kommunistische Terror- und Mordregime zurück haben wollen, bitte...

           

          "Die Volksrepubliken sind beim Volk einiges populärer als die Ukraine. Um die Gebiete zur Ukraine zurückzuholen, müssten Sie den Bewohnern von Donezk und Lugansk schon etwas mehr bieten als hoffnungslos veraltete antikommunistische Parolen, von denen wird nämlich niemand satt."

           

          Wieso ich? Ich will die Ostukraine gar nicht "zurückholen". Bin ich Ukrainer?

        • @Frotzelphilip:

          Bei den Wahlen im Donbass war die kommunistische Partei nicht zugelassen, ebenso Kandidaten bzw. Parteien, die für einen Verbleib in der Ukraine antreten wollten.

          • 4G
            4845 (Profil gelöscht)
            @sb123:

            Und sowas schimpft sich freie Wahl?

  • Zitat: "Die Organisatoren der Wahl würden 'die volle Härte des Gesetzes' zu spüren bekommen, sagte ein Justizsprecher."

    Nun, und der ukrainische Sicherheitsdienst hat laut RIA Novosti ein Strafverfahren gegen die Wahl eingeleitet:

    http://de.ria.ru/politics/20141102/269921617.html

    Fragt sich nur, wie Kiew das alles durchsetzen will. "Die volle Härte" bekommt die Zivilbevölkerung in Donezk und Umgebung bereits jetzt zu spüren, indem täglich durch ukrainischen Artillerie-Beschuß Menschen getötet werden und zivile Einrichtungen zerstört werden. Im übrigen zeichnet sich bereits jetzt eine rege Wahlbeteiligung ab. Soll dann jeder Wähler angeklagt werden? Grotesk.

  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    "Volksrepublik"...das sagt schon alles... das sind nichts weiter als Stalinisten.