Umstrittene Internetsperren: Gesetz scheitert nicht an Ehrenrunde
Die umstrittene Blockade von Kinderporno-Webseiten verzögert sich. Doch die meisten Juristen glauben, dass die Stoppschilder im Internet sicher kommen.
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BERLIN taz | Zunächst war das Gesetz über Internetsperren sehr dringlich und sollte unbedingt noch vor der Wahl beschlossen werden. Nun wird das Gesetz aber frühestens im Oktober in Kraft treten. Vorher kann es der Bundespräsident nicht unterzeichnen, weil das Regelwerk drei Monate lang zur Prüfung bei der EU-Kommission in Brüssel liegt.
Der Grund: Anfang Juli hatte es die Bundesregierung zur Prüfung nach Brüssel geschickt und damit die Stillhaltefrist ausgelöst.
Die Bundesregierung hat das Gesetz aufgrund einer EU-Richtlinie von 1998 eingereicht. Danach müssen die Entwürfe von technischen Vorschriften "notifiziert" (mitgeteilt) werden, um Probleme für den Binnenmarkt schon im Ansatz verhindern zu können. Darauf hatte die Bundesregierung zunächst zwar verzichtet, weil sie fand, dass die Sperrung von Kinderporno-Seiten keine technische Vorschrift sei. Nun wandten sich aber die Anwälte von Internet-Providern an die EU-Kommission und forderten diese auf, einzuschreiten. Also schrieb die EU-Kommission an Berlin, sie wolle sich das Gesetz einmal anschauen. Das war nach Darstellung der Regierung im Juni. Der Bundestag hatte das Gesetz gerade beschlossen.
Die Regierung fand das Notifizierungsverfahren zwar immer noch unnötig, wollte nun aber kein Vertragsverletzungsverfahren riskieren und notifizierte das Gesetz doch. Die Entscheidung sei zwischen den betroffenen Ministerien einvernehmlich gefallen. Gemeint sind wohl die Ministerien für Wirtschaft, Familie, Inneres und Justiz. Im federführenden Wirtschaftsministerium geht man aber davon aus, dass es keine Beanstandung der EU-Kommission geben wird, so dass das Gesetz im Oktober von Bundespräsident Köhler unterschrieben und anschließend in Kraft treten kann.
Ein Medienbericht brachte die These auf, dass der Bundespräsident das Gesetz im Oktober gar nicht mehr unterzeichnen könne, weil dann die Legislaturperiode des Bundestags abgelaufen sei. Das halten aber nicht einmal die Sperr-Gegner für plausibel. Thomas Stadler, Anwalt des AK Zensur, sprach von "heißer Luft". Was von Bundestag und Bundesrat abschließend behandelt wurde, sei nicht von der "Diskontinuität" betroffen.
Das ist auch die herrschende Auffassung unter Verfassungsrechtlern. Diskontinuität heißt, dass alle parlamentarischen Vorlagen mit dem Ende der Wahlperiode verfallen. Der neue Bundestag soll sich nicht mit den Hinterlassenschaften des Vorgängerparlaments befassen müssen.
Die Wahlperiode endet allerdings erst mit Zusammentreten des neuen Bundestags, spätestens am 27. Oktober. Wenn Köhler sich beeilt, stellt sich das Problem gar nicht.
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