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Umstrittene ExhumierungStreit um Lorcas Grab

Die andalusische Regierung will ein Massengrab öffnen, in dem Nationaldichter Lorca liegen soll. Dessen Angehörige wehrten sich lange dagegen - nun stimmten auch sie zu.

Lorca war vor allem für Theaterstücke bekannt: Hier eine Aufnahme aus "Ein Dichter in New York". Bild: dpa

MADRID taz| Die Familie Federico García Lorca gibt sich geschlagen. Nach jahrelangem Hin und Her stimmen die Nachfahren des spanischen Nationaldichters jetzt der Öffnung des Massengrabes zu, in dem der Autor vermutlich begraben liegt. Lorca wurde am 19. August 1936, nur wenige Wochen nach dem faschistischen Putsch gegen die spanische Republik, standrechtlich erschossen. Der Dichter war ein bekennender Anhänger der spanischen Volksfront und trat für einen sozialen Wandel ein. Außerdem machte er keinen Hehl aus seiner Homosexualität.

Die Grabungen in Alfacar sollen vor Monatsende beginnen. Die Initiative geht auf Angehörige von zwei der vier mit Lorca verscharrten Opfer der Putschisten unter General Francisco Franco zurück. Unter Berufung auf das 2007 verabschiedete Gesetz zur Wiedererlangung des Historischen Gedenkens, verlangten sie von Andalusiens Regierung die Exhumierung.

Lorcas Angehörige - sechs Neffen und Nichten - hatten sich bis zuletzt dagegen gewehrt. Auch wenn sie nun den Grabungen "aus Respekt vor dem Willen anderer" zustimmen, sähen sie es am liebsten, wenn das Massengrab nicht geöffnet würde. Die sechs weigern sich, bei einer Identifizierung behilflich zu sein und verlangen, dass die nichtidentifizierten Toten dort bleiben, wo sie sind. Das Gelände müsse zum Friedhof und damit zur Gedenkstätte erklärt werden.

Emilio Silva, dessen Vereinigung zur Wiedererlangung des Historischen Gedenkens die Öffnung des Grabes fordert, kann die Familie Lorca nicht verstehen. Der Staat müsse handeln, so sehe es das Gesetz vor. Alle Verschwundenen müssten ausgegraben und identifiziert werden.

Silva hat mit den sterblichen Überresten des Dichters Großes vor. "Federico García Lorca verdient ein Staatsbegräbnis, stellvertretend für alle Verschwundenen der Franco-Diktatur", erklärt er. Um zu verhindern, dass andere über die sterblichen Überreste des Dichters entscheiden, hat die Familie angekündigt, sich das Recht auf Identifizierung und damit die Verfügungsgewalt über Lorcas Leichnam vorzubehalten.

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1 Kommentar

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  • LM
    lusi madlo

    jedes jahr im august treffen sich die bewohner der umliegenden dörfer im wald, genau an der stelle an der ein massengrab (auch mit lorca) vermutet wird...mehrheitlich zigeuner sind es und jeder der hinzukommt ist willkommen. es wird die ganze nacht lang flamenco gesungen mit lorca-texten, es werden gedichte rezitiert, es wird spontan getanzt, getränke werden gereicht und viele bringen speisen mit, es werden der toten erinnert durch persönliche geschichten oder worten der erinnerung...alles ist unorganisiert und hat den charme eines konspirativen treffens im wald...ich habe dieses jahr durch freunde daran teilgenommen und ich war sehr angetan von der art und weise wie die leute dort mit dem gedenken umgehen...sie singen und tanzen mit ihrem tiefgehenden andalusischen gesang...und huldigen und erinnern einem der ihren...sie waren aber auch besorgt und traurig über die bevorstehende öffnung der gräber, denn diese kleine tradition (die es bereits seit langer zeit gibt, wahrscheinlich schon seit jenen vorfällen damals) wäre damit wahrscheinlich hinfällig, denn das terrain wäre dann abgesperrt und unbegehbar...ob diese gräberöffnung gut oder schlecht ist, weiß ich nicht, ich wollte nur diese anekdote dazu einreichen...