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Umstrittene BaumfällungenKleinholz im Naturschutzgebiet

Umweltschützer kritisieren das Fällen alter Bäume im Naturschutzgebiet Wohldorfer Wald. Die zuständige Revierförsterei will alle Richtlinien eingehalten haben

Umstritten: Baumfällungen. Foto: Michael Reichel/dpa

Im Naturschutzgebiet Wohldorfer Wald ist es verboten, Pflanzen abzuschneiden und abseits der Wege unter den Bäumen herumzuspazieren. Was aber geht, ist, riesige alte Bäume, ganze Biotope, zu fällen und mit schweren Fahrzeugen aus dem Wald zu zerren. Die Naturschutzverbände sehen das überwiegend kritisch, sind aber hilflos. Denn das Sagen hat im Wohldorfer Wald – europäisches Vogelschutzgebiet hin, Flora-Fauna-Habitat-(FFH-)Gebiet her – nicht etwa die Umwelt-, sondern die Wirtschaftsbehörde.

„Das geht gar nicht“, sagt Roman Vosyka mit Blick auf die Zerstörungen, die er in den vergangenen Wochen beobachtet und dokumentiert hat. Der Naturfreund, der sich regelmäßig im Wohldorfer Wald aufhält, hat die Fällung von mehr als 100 Bäumen beobachtet: Rotbuchen, Eschen, Schwarzerlen – zum Teil mehr als 140 Jahre alt, wie er schätzt. Es seien auch die Nistbäume von Schwarzspechten gefällt worden. Die Rückefahrzeuge hätten tiefe Spuren im Waldboden hinterlassen.

Monika Bock vom Naturschutzbund (Nabu), einem der Verbände, die das Gebiet betreuen, spricht mit Blick auf den Status des Wohldorfer Waldes als europäisches Vogelschutzgebiet von einem „dicken Brett“, das da gebohrt werden müsse. „Wir bemühen uns schon seit Langem darum, dass das zur Geltung kommt“, sagt sie. Im Wohldorfer Wald müsse die wirtschaftliche Nutzung mit hohen Naturschutzansprüchen vereinbart werden. „Wir sehen nicht, dass das gut zusammengebracht wird“, sagt sie.

Horst Bertram vom Botanischen Verein sieht ein Dilemma in den milden Wintern. Wenn schweres Gerät geordert sei, der Frost aber auf sich warten lasse, wirke sich das verheerend auf den Waldboden und das Leben darin aus.

Das Schutzgebiet

Der Wohldorfer Wald ist das älteste Forstrevier Hamburgs und liegt im Stadtteil Wohldorf-Ohlstedt.

Im Jahre 1437 wurde es von der Stadt erworben, 1770 zum Erholungsgebiet erklärt.

Im Jahre 2013 ist es um 144 auf 248 Hektar vergrößert worden. Er schließt direkt an das Naturschutzgebiet Duvenstedter Brook an.

Geschützt werden besondere Waldtypen und seltene Tier- und Pflanzenarten, etwa Käfer, die nur in sehr alten Wäldern vorkommen.

Weit weniger schlimm findet das die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW), die das Schutzgebiet ebenfalls betreut. Die breiten Reifen moderner Holzernter richteten vergleichsweise geringe Schäden an. Außerdem sei es damit möglich, Bäume zu ernten, ohne die umstehenden zu beschädigen.

Die Schutzgemeinschaft plädiert für eine Nutzung des Wohldorfer Waldes. Die nachhaltige und naturnahe Waldwirtschaft habe den Forst geprägt und manche Arten überhaupt erst aufkommen lassen. „Die vielfältigen Waldstrukturen mit unzähligen Lebensräumen für Pflanzen und Tiere sind das Ergebnis der langjährigen forstlichen Nutzung“, schreibt sie.

Die Revierförsterei Wohldorf begründet die Fällungen mit einer „Verkehrsgefährdung“. Zudem solle Platz für die verbleibenden Bäume und deren Nachkommen geschaffen werden. Über die Vorgabe der Schutzgebietsverordnung hinaus lasse sie zehn Prozent der Waldfläche unbewirtschaftet.

Auch stünden in dem Wald deutlich mehr Biotopbäume auf jedem Hektar als gefordert. Der Forest Stewardship Council (FSC), eine Art TÜV für nachhaltige Waldbewirtschaftung, habe an der bisherigen Fällpraxis nichts auszusetzen gehabt.

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1 Kommentar

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  • "Seit 1989 ist Kruse tätig als Geschäftsführer des Hamburger Landesverbandes der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW)." https://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%BCdiger_Kruse

     

    Da hat man natürlich ein anderes Verhältnis zur Umwelt, wenn man jahrelang billig das Försterhaus im Niendorfer Gehege von der Finanzbehörde mietet, obwohl ein Bundestagsabgeordneter wohl kaum soziale Unterstützung benötigt.