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Umstrittene Äußerungen SarrazinsSPD prüft Parteiausschluss

Das SPD-Präsidium kündigte am Montag ein Parteiordnungsverfahren gegen Thilo Sarrazin an. Andere forderten zudem seinen Rücktritt als Bundesbank-Vorstandsmitglied.

Bekommt von der SPD keinen Rückhalt für seine Thesen: Thilo Sarrazin. Bild: dpa

BERLIN / FRANKFURT AM MAIN rts / dpa / apn | Thilo Sarrazin hat am Montag bei der Vorstellung seines Buches "Deutschland schafft sich ab" in Berlin seine umstrittenen Äußerungen zur Integration verteidigt. "Zuwanderung ist mehr und mehr konzentriert auf bildungsferne Schichten aus islamisch geprägten Ländern." Das deutsche Volk und der deutsche Staat stünden an einer Zeitenwende - besonders wegen demografischer Verwerfungen, sagte der Bundesbank-Vorstand. "Das deutsche Volk ist rein quantitativ auf dem Weg, sich selbst abzuschaffen." Das Problem sei nicht die ethnische Herkunft, sondern liege in der islamischen Kultur.

Wegen seiner umstrittenen Äußerungen über Migranten erwägt die SPD derzeit erneut, Sarrazin aus der Partei ausschließen. Das Präsidium der Bundespartei hat am Montag ein Parteiordnungsverfahren gegen den früheren Berliner Finanzsenator Sarrazin vorgeschlagen. "Er hat selber alles dafür getan, dass dieses auch erfolgreich sein wird", sagte Präsidiumsmitglied Ralf Stegner der taz. "Es wäre besser, wenn er selber austreten würde, aber ich befürchte, dies wird er nicht tun. Für seine Thesen ist in der SPD kein Platz."

Der 65-jährige Sarrazin hatte mit Äußerungen über eine geringe Integrationsfähigkeit etwa von Türken und Mahnungen vor einer Überfremdung für öffentliche Empörung gesorgt. Ein erstes Parteiordnungsverfahren gegen Sarrazin war im März gescheitert. Die Landesschiedskommission der Berliner SPD verwarnte Sarrazin damals aber, dass auf Dauer Rundumschläge gegen weite Bevölkerungsschichten und -gruppen parteischädigend sein könnten. Parteischädigendes Verhalten ist die Voraussetzung für einen Parteiausschluss.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Bundesbank im Fall Sarrazin indirekt zum Handeln aufgefordert. Sie sei sicher, dass die Bundesbank darüber sprechen werde, sagte sie am Sonntag der ARD. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Bundesbank ein Aushängeschild für das ganze Land sei. Bundesbank-Präsident Axel Weber will sich Angaben eines Sprechers zufolge nach seiner Rückkehr vom Notenbankertreffen in Jackson Hole am Montagnachmittag zu dem Fall äußern.

Politiker mehrerer anderer Parteien forderten zudem den Rückzug Sarrazins aus dem Vorstand der Bundesbank. Bundesbankpräsident Axel Weber, an den sich die Appelle richteten, kann ein Vorstandsmitglied aber nicht einfach entlassen. Vor Ablauf ihrer Amtszeit kann Sarrazin daher nach geltendem Recht nur abberufen werden, wenn er die Voraussetzungen zur Ausübung seiner Tätigkeit nicht mehr erfüllt.

Das wäre etwa bei schwerer Krankheit der Fall oder bei einer schweren Verfehlung. Was als letztere gilt, ist indes nicht klar definiert, also Interpretationssache. Eine solche Abberufung müsste der Bundesbankvorstand bei Bundespräsident Christian Wulff beantragen. Sarrazin gehört dem Vorstand erst seit dem 1. Mai dieses Jahres an, seine Amtszeit läuft bis 2014.

Weber hatte schon im Herbst letzten Jahres Interviewäußerungen als Verstoß gegen den Verhaltenskodex der Bundesbank bezeichnet. Diesen Ehrenkodex hat sich das Institut im Juli 2004 nach dem Streit über die kostenlose Übernachtung von Expräsident Ernst Welteke bei einer Silvesterfeier in Berlin gegeben. Darin heißt es im ersten Kapitel: Die Vorstandsmitglieder "verhalten sich jederzeit in einer Weise, die das Ansehen der Bundesbank und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Bundesbank aufrecht erhält und fördert".

Der Fall Sarrazin könnte auch ein Thema für den Beauftragten der Deutschen Bundesbank für Corporate Governance, Uwe Schneider, sein. Der Rechtsprofessor berät die Bank bei der Auslegung und Anwendung der für die Vorstandsmitglieder geltenden Verhaltensregeln.

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10 Kommentare

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  • SB
    Schweizer Buerger

    Hilflos

    Und dann wundert sich die SPD über Mitgliederschwund, wenn sie Leute, die es WAGEN, einen wunden Punkt anzusprechen, fertigmachen, ausschliessen, ächten usw usf. Soll die SPD doch weiter Sozialromantiker/-Innen, Multikultiträumer/-Innen und andere weltfremde Möchtegernstreetworker/-Innen anstellen, die sich nicht scheuen, weiterhin mit der Rassismus- und Nazikeule wild um sich zu schlagen. Die SPD täte gut daran, Probleme nicht einfach unter den Teppich zu kehren, sondern anzupacken. Es erinnert bei diesen Sozialisten an die sowjetischen Schauprozesse der 30er Jahre, medial umgeformt ins 21. Jahrhundert.

     

    Wenn man Sarrazin nicht sachlich widersprechen kann und die Argumente ausgehen, schliesst man ihn aus der Partei aus.

     

    Wenn eine Kultur Kritik am System nicht mehr zulässt, dann kann es mit der Demokratie nicht weit her sein. Deswegen sind mir Querdenker und unvorsichtige „Tabubrecher“ viel lieber als die bezahlten Heuchler der MSM und der classe politique.

     

    Der Filmemacher Zac Snyder sagte neulich, dass „wir offenbar in einer Welt leben, in der die Idee verpönt ist, für Freiheit und Demokratie zu kämpfen.“

  • RJ
    Riga, Josef

    Es ist zwar richtig, dass S. etwas positives über die Juden sagen wollte, in dem er ihnen ein spezifisches Gen zudachte. (Er hält ja bekanntlich große Stücke auf deren Intelligenz und Leistungsfähigkeit. ) Trotzdem wird ihn diese Bemerkung zu Fall bringen, weil sie biologistisch daher kommt, und somit schlimme Erinnerungen an die Zeit des NS-Regimes weckt.

  • K
    Kommentator

    @Moshe

     

    Dann leg doch mal eine Quelle vor, die belegt, welches Gen auf welchem Chromosom bei Juden anders sein soll als bei allen anderen Menschen. Dieses müsste dann ja auch entsprechend mutieren, wenn jemand zum jüdischen Glauben wechselt.

     

    Was für ein Schwachsinn.

     

    Es ist jede Menge falsch in seinen Aussagen, Sarrazin polemisiert und legt Fakten so aus, wie sie in sein verqueres Weltbild passen.

     

    IMHO muss er sowohl aus Bundesbank als auch aus der SPD ausgeschlossen werden.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Thio Sarrazin geistiger Brandstifter

    Thio Sarrazin kann man als einen geistigen Brandstifter bezeichnen,der die Gesellschaft in der Bundesrepublik-Deutschland auseinander driftet,der den sozialen Frieden gefährdet.

    die Die SPD täte gut daran,ihr Mitglied aus der SPD zu

    entfernen.Er schädigt mit seinen Äußerungen die SPD-Nicht nur die SPD ,sondern den Standort Deutschland.Auch eine Weiterbeschäftigung bei der Bundesbank,die noch immer ein hohes Ansehen genießt,ist nicht mehr zu befürworten.

    Lange hat man über seine Äußerungen,als Finanzsenator des Landes Berlin und als Mitarbeiter der Bundesbank hinweg gesehen und hinweg gehört.

    Jetzt wo er jüdische Menschen derart beleidigt,ist das Maas voll.

    Der Aufstand der Anständigen in der SPD und über alle Parteigrenzen hindurch ist jetzt gefragt.

    Deutschland plädiert für ein weltoffenes,tolerantes

    Deutschland,mit Thio Sarrazin ist dies nicht möglich.

    Quo vadis SPD,was das Parteimitglied Thio Sarrazin betrifft.

  • C
    Carsten

    Claudia Roth: "Es ist nicht zu ertragen, wie Sarrazin mit immer neuen Ungeheuerlichkeiten die öffentliche Debatte bestimmt."

     

    Da fühlt Roth endlich mal mit, wie sehr der Normalbürger leidet, wenn er sich ihren Scheiß in den Medien anhören muss!

  • D
    deviant

    Angst um seine Karriere muss Sarrazin derweil nicht haben:

    Udo Voigt (NPD) will Sarrazin als Ausländerrückführungsbeauftragten seiner Partei und bietet ihm schonmal einen Beraterposten des NPD-Bundesvorstands an...(das ganze Interview mit Voigt gibt's heut abend bei Report Mainz in der ARD)

  • LV
    Lenin vs Mao

    Als Einwanderer oder von mir aus auch Ausländer würde ich mir wünschen, dass man wieder von dem Konstrukt 'der Migranten' Abstand nimmt und auch die eingewanderten Menschen in erster Linie als Individuen sieht. Vor 20 Jahren hätte ich noch die Chance gehabt vom 'Ausländer' zum 'Deutschen' zu werden, so wie es bereits bei den 'Ruhrpolen' geklappt hatte. Meine Kinder wären in der Folge Deutsche und nicht Kinder mit Migrationshintergrund.

     

    So aber muss ich, dank den Grünen und deren geistigen Vettern, mein Leben lang ein 'Migrant' bleiben und kann diesen Status, selbst wenn ich mir meine deutsche Staatsangehörigkeit auf die Stirn klebe nie mehr ganz los werden.

     

    Es sollte möglich sein bestimmte Gruppen kritisieren zu können, wenn man die 'Gruppensolidarität' nicht als oberste Gebot der Integration ansieht. Das würde auch das Individuum wieder stärker in den Fokus rücken und die Eigenverantwortung betonen. Dazu müsste man sich aber vom 'Mantra' des 'armen Migranten' verabschieden und klar sagen warum einige (auch innerhalb der sogenannten 'Communities') erfolgreicher sind und andere nicht.

     

    Die Ausländer, die ich kenne und die sich wie ich angepasst haben, haben eins alle gemeinsam. Die Eltern haben Wert auf Bildung gelegt. Wenn aber die heutigen Vorbilder, wie bestimmte Rapper, von 'Du schwuler Student' singen, kann man das als Indiz für den Stellenwert von Bildung für bestimmte Menschen in diesem Land (und ich spreche explizit nicht von Gesellschaft) sehen. Ohne Bildung jedoch, bleiben die Meisten in der Regel auf der Strecke.

  • GM
    Gimme More

    Sarrazin gehört dem Vorstand der Bundesbank seit nicht einmal einem halben Jahr an.

     

    Für unsagbare Äußerungen, die mit der Würde dieses Amtes wohl kaum vereinbar sind, ist er indes schon seit einigen Jahren bekannt. Trotzdem ist er von den Landesregierungen von Berlin und Brandenburg benannt worden, der Bundesrat hat zugestimmt. Ein bedauerlicher Irrtum kann es also nicht gewesen sein.

     

    Wie ist es dazu gekommen?

     

    Die Frage finde ich derzeit viel spannender als die Diskussion um Sarrazins neueste Skandale, die ohnehin absehbar waren.

    Für Hintergrundinformationen dazu wäre ich dankbar.

  • I
    iTeacher

    Ich halte bei allem Schmerz, den die von Thilo Sarrazin angesprochenen Punkte verursachen, einen Ausschluss aus die SPD für ein vollkommen falsches Signal- a la, der Überbringer der schlechten Nachricht wird geköpft.

    Dazu folgendes: Ich hatte den Artikel in der Printausgabe des Spiegel gelesen- ich fand es (leider durchaus) schlüssig argumentiert und bedenkenswert, obschon ich wirklich LINKS stehe.

    Daraufhin habe ich seit einigen Tagen immer wieder versucht, im Netz eindeutige, die Aussagen Sarrazin widerlegende Inhalte zu finden, insbesondere bezüglich seinen Projektion über das Deutschland der Zukunft. Kaum ein Artikel konnte mich jedenfalls beruhigen. Ich habs wirklich gehofft, doch: Die Richtung stimmt schon. Stattdessen überall nur undifferenziertes Einprügeln auf Sarrazin. Mich interessieren aber mal die Fakten...Bin ich (SPD-Sympathisant) jetzt auch ein Nazi, oder was?

    Dazu kommt noch: Meine persönliche Erfahrung als Lehrer bestätigt vieles von den gesellschaftlichen Entwicklungen, die T.S.aufzeigt, aber offenbar tabuisiert sind.

    Bin in einer kath.Grundschule tätig (ohne selbst sehr religiös zu sein)- die Leute rennen solchen Schulen die Bude ein, damit sie bestimmte Migrantengruppen (v.a.islamische) vermeiden können. Spätestens bei ihren Kindern kommen dann übrigens auch viele Linke/SPDler in diese Schulen. Oder wohin glauben Sie, werden die Kinder nicht nur linker Politiker, SPIEGEL und TAZ-Redakteure usw. geschickt...? Bestimmt nicht in die Brennpunktschule!

    Also: Bitte um echte Hinweise. Ich vermisse ich eine wirkliche Auseinandersetzung mit den Inhalten und der Wirklichkeit (-auch der zukünftigen...)

  • M
    Moshe

    Mit welcher Begründung? Ich sehe nichts falsches in seinen Aussagen.

     

    Und die Bundesbank ist doch ein Witz. Für mich ist das Ansehen durch Sarrazin sogar gestiegen! Fragt doch mal die Bürger auf der Straße was sie von ihm halten, wenn ich mir Kommentare, Foren usw. durchlese sieht man doch das das Volk hinter ihm steht.

     

    Und die Aussagen zum jüdischen Gen ist zwar schlecht ausgedrückt, aber richtig gewesen. Und das ist bestimmt kein Antisemitismus! Das ist doch was sehr positives für jeden Juden!