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Umstieg auf ErneuerbareSchweden streiten über Vattenfall

Der Staatskonzern soll seine deutschen Atom- und Kohlekraftwerke verkaufen und in Erneuerbare investieren, fordern schwedische Politiker. Das ist nicht nur Wahlkampfgeklingel.

"Absolut Schweden" – das haben Greenpeace-Aktivisten im September 2009 an Vattenfall-Braunkohlekraftwerke in Brandenburg projeziert. Bild: dpa

STOCKHOLM taz | Die deutsche Vattenfall-Tochter mit ihren umstrittenen AKWs und Braunkohlekraftwerken verkaufen und mit dem Erlös in erneuerbare Energieproduktion investieren – wenn es nach dem schwedischen Umweltminister Andreas Carlgren von der Zentrumspartei geht, sollte dieser Schritt so schnell wie möglich gemacht werden. "Ich frage mich, warum der schwedische Staat in Europa langfristig Eigentümer von Kern- und Kohlekraftwerken sein soll und die Gelder der Steuerzahler für solche Aktivitäten riskiert."

Carlgren steht mit dieser Frage nicht allein. Seine Parteikollegin und Wirtschaftsministerin Maud Olofsson, im Kabinett formal zuständig für Staatsunternehmen, hatte schon vor ihm eine ähnliche Debatte angeregt und vorgeschlagen, durch einen Teilverkauf von Vattenfall Gelder für ein künftiges Hightechunternehmen "Zukunftsenergie AG" freizusetzen. Mit diesem könnten neue einheimische Arbeitsplätze geschaffen werden und könnte sich Schweden, was zukunftsträchtige Energiekonzepte angeht, an die Spitze setzen.

Nun gehören die Wirtschaftsministerin, die gleichzeitig stellvertretende Regierungschefin ist, und der Umweltminister mit dem "Zentrum" einer Partei an, die im Meinungstief dümpelt und mit solch einem Vorstoß ausgerechnet sechs Wochen vor den Parlamentswahlen auf zusätzliche WählerInnenstimmen hofft. Was die Debatte dennoch interessant macht: Schwedens oppositionelle Grüne haben ebenfalls einen Ausstieg Vattenfalls aus deutscher Atom- und Kohleverstromung vorgeschlagen, und die Sozialdemokraten, die zusammen mit Grünen und Linken nach den Wahlen eine Koalition bilden wollen, reagierten auf Carlgrens Vorstoß mit einer Kehrtwendung.

Schlossen die Sozialdemokraten bislang einen auch nur teilweisen Verkauf des "Kronjuwels" Vattenfall aus, wollen sie den Verkauf der Auslandsteile jetzt mittragen. Vattenfall, so der sozialdemokratische Schattenwirtschaftsminister Thomas Östros, habe sich mit seinem Deutschland-Engagement "verkalkuliert". Womit sich über die Blöcke hinweg eine parlamentarische Mehrheit für den Verkauf der deutschen Tochter abzeichnet.

Ein solcher Schritt sei auch ökonomisch sinnvoll, rechnete am Freitag in der Stockholmer Dagens Nyheter ein namentlich nicht genannter "Experte des europäischen Energiemarkts" vor: Die Deutschlandtochter sei relativ leicht zu verkaufen. Die deutsche Eon und die französische EdF stünden als Interessenten bereit. Fraglich sei nur der Preis. Und mit der Perspektive auf eine eventuelle Privatisierung sei das Staatsunternehmen ohne seine atomaren und fossilen kontinentalen Lasten sogar attraktiver.

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8 Kommentare

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  • KM
    Karl Miller

    Vielleicht sollte man die Schweden dann man gleich zum bye, bye sagen zu den Vattenfall - Cyclassics nach Hamburg einladen.

    Um die Stimmung dort zu entschärfen wäre m.E. auch sinnvoll den Protestlern von GEGENSTROM 10 die Schlüssel für die Moorburg - Baustelle zu übergeben und diese umgehend stillzulegen.

    Das wäre doch der erste logische Schritt, wenn man schon sich auch von der Kohlesparte trennen will machen Neubauten erst recht keinen Sinn.

     

    So lange das aber nicht passiert:

    Kundgebeung gegen Vattenfalls Greenwashing am Sonntag 15.8.10 um 15:00 Uhr Hans-Albers-Platz

  • JL
    JW Laue

    ... und was sollen wir dann machen hier mit den Vfall Plänen, mitten in Berlin drei lustige Kraftwerke aufzubauen?

    Wäre schrecklich, zu verzichten auf

    ein GuD Kraftwerk samt Riesen Kühlturm

    zwei Biomassekraftwerke, die in ihrer Größe 700.000 t verheizen sollen, vorerst aus Liberia, dann ... Vielleicht aus Schweden!? Da soll´s genügend geben für die kommenden 12 Jahre. Und dann schau´n mer mal ...

  • A
    anonym

    Kleine Anmerkung zur Bildunterschridt: "Absolut svenskt" heißt auf deutsch übersetzt "Absolut schwedisch"

  • KK
    Klaus Keller

    Wie geil ist das denn?

     

    da könnte RWE das Krümelmonster übernehmen, schließen und die Reststrommenge auf Biblis übertragen wie kürzlich die von E.on gekauften von Stade wenn ich mich nicht irre.

     

    RWE könnte natürlich auch Biblis schließen und Krümel länger laufen lassen.

     

    die Ausstiegskriterien sind so bekloppt wie sie sich anhören :-)

     

    klaus keller hanau

  • GH
    Günter Hering

    Bitte nicht die Müllverbrennungsanlagen vergessen, die Vattenfall in Deutschland betreibt (u.a. in Rostock). Sie entziehen dem Recycling große Abfallmengen und vernichten sie thermisch unter Inkaufnahme hoher Luftbelastungen und hochtoxischer Stäube, deren abgetrennte, größere Bestandteile in Bergwerken versteckt werden (nur dass sich hier, anders als bei radioaktiven Abfällen, niemand aufregt, obwohl diese Gifte niemals abklingen). Der feineren Stäube gehen in die Luft und verursachen u.a. Allergien, Atemwegs- und Kreislauferkrankungen. Aber das wird ja von anderen bezahlt.

     

    Die Stromkonzerne verbrennen das, was die Abfallwirtschaft recyceln könnte. Durch das Recyceln würde viel Energie gespart, weil die Erstherstellung des jeweiligen Produktes energieintensiver ist als das qualtitativ gleichwertige Recyclat. Die Abfallgebühren würden auch sinken.

     

    Die Energieeffizienz von Abfallverbrennungsanlagen liegt weit unter der konventioneller Kohlekraftwerke. Dennoch

    müssen die Abfallverbrenner nicht nur keine CO2-Zertifikate kaufen, sondern sie bekommen sogar noch CO2-GUTSCHRIFTEN! Die Klimakanzlerin machts möglich!

  • P
    Powereader

    Vattenfall ist nicht der einzige, der jetzt seine alten Dreckschleudern loswerden will. Auch Evonik sucht nach Käufern für seine kohlenlastige Kraftwerkssparte Steag. Anscheinend hoffen die Kraftwerkseigner, noch jemanden zu finden, der noch Geld gibt für die Anlagen, die sich in Zukunft immer weniger rentieren werden, wenn jede Tonne CO2 bezahlt werden muss und die Erneuerbaren immer mehr Marktanteile wegschnappen. Weswegen selbst RWE-Chef Grossmann inzwischen eingesteht, dass sich neue Kohlekraftwerke nicht mehr rentieren.

    Will sagen: Wer zu spät verkauft, den bestraft das Leben...

  • JN
    Jens Neumann

    Der Verkauf der deutschen Tochter bedeutet eben keine Teilprivatisierung von Vattenfall, sonder lediglich den Verkauf einer Beteiligung.

     

    Die maroden Atomkraftwerke Vattenfalls in Schweden brutzeln fröhlich weiter.

  • V
    vic

    Gute Sache das.

    Aber liebe Schweden, vergesst nicht eure Brennstäbe mitzunehmen und die AKWs abzubauen.

    Ich will nicht, dass die anderen Strahlenspezialisten die Dinger kaufen.

    ist schließlich auch mein Geld.