Umsatz schrumpft: Bye-bye Biolädchen
Zum ersten Mal seit Jahren schrumpft bei den auf Öko-Lebensmittel spezialisierten Läden der Umsatz. Vor allem kleine Geschäfte sind betroffen.
Der Boom in Bio-Fachgeschäften ist vorbei. Erstmals seit mehr als fünf Jahren haben auf Öko-Lebensmittel spezialisierte Läden in einem Quartal weniger verkauft als im Vorjahreszeitraum. Das ist das Ergebnis des aktuellen Umsatzbarometers Biohandel. Auch das Fachhandelsbarometer Naturkost stellt einen Einbruch fest. Als Grund für den Umsatzrückgang bei den klassischen Bioläden nennen Branchenexperten unter anderem die Inflation und die Konkurrenz durch konventionelle Supermarktketten.
Um durchschnittlich 2,1 Prozent sei der Umsatz bei Bio-Fachgeschäften in den Monaten April bis Juni zurückgegangen, sagte Umsatzbarometer-Herausgeber Klaus Braun der taz am Mittwoch. Horst Hartmann ist in seinem Fachhandelsbarometer Naturkost sogar noch ein bisschen pessimistischer. Er kommt auf ein Minus von 2,8 Prozent. Die Differenz erklärt sich dadurch, dass Braun mehr größere Läden berücksichtigt als sein Konkurrent.
Für Deutschlands rund 3.000 Biogeschäfte stellt der Rückgang eine völlig neue Situation dar. Ihre Umsätze waren in den vergangenen Jahren im Schnitt stets kräftig gewachsen, so zuletzt 2007 um 9,6 Prozent. Nun verzeichnete Braun das erste Mal seit 2003 ein Quartal im Minus.
"Am Schlimmsten sieht es bei den kleinen Läden aus", sagt der Biobranchen-Experte. So hätten Hofläden drei Prozent eingebüßt. Die Bio-Supermärkte dagegen kamen mit einem Minus von 2,1 Prozent davon. "Auf größerer Fläche kauft der Kunde mehr", erklärt Brauns Konkurrent Hartmann. Dort könnten die Händler ihre Produkte übersichtlicher präsentieren. "Der Einkaufskomfort ist besser."
Für Braun steht aber auch fest: "Der Bioboom allgemein ist nicht vorbei." Denn der Anteil von Öko-Produkten an allen verkauften Lebensmitteln wachse weiter. Braun sieht den wichtigsten Grund für den Rückgang bei den Fachgeschäften deshalb vor allem in der Konkurrenz durch die konventionellen Ketten, die ebenfalls Bioprodukte verkaufen. "Der konventionelle Lebensmittelhandel hat stark aufgerüstet", sagt Hartmann.
Tatsächlich haben Ketten wie Edeka, Aldi und Plus nun ebenfalls hunderte Öko-Waren im Angebot. Bereits in der Vergangenheit profitierten die Konventionellen stärker vom Wachstum des Bio-Umsatzes als die Fachhändler. "Und jetzt schwindet wegen der gestiegenen Inflation die Kaufkraft der Leute. Deshalb kaufen sie weniger oder billiger Bio", erklärt Braun. Billiger - das können die Discounter schon wegen ihrer schieren Größe besser als der Öko-Fachhandel.
Auch die Zukunft sieht eher düster für die Kleinen aus: Für das gesamte Jahr 2008 rechnen beide Marktforscher für die bisher erfolgsverwöhnte Branche allenfalls "mit einer schwarzen Null" - weder Plus noch Minus.
Die Marktforscher geben die kleinen Läden aber noch nicht verloren. "Sie müssen sich profilieren", sagt Hartmann. Er empfiehlt den Händlern, auf ein Vollsortiment zu verzichten und sich zu spezialisieren: zum Beispiel auf Brot, Käse oder Frischprodukte. "Außerdem müsste man sich mal wieder auf die sinnvollen Dinge besinnen, die auch von den Kunden honoriert werden." So sollten die Läden ihr Umweltbewusstsein stärker herausstellen und auf klimafreundliche, regional und fair erzeugte Waren setzen. "Stattdessen kriegen wir Bananen aus Gott-weiß-woher", meint Hartmann.
Aber dass dieser Wandel notwendig ist, scheinen bisher nur wenige Händler erkannt zu haben. So sei das Thema Klimawandel bei vielen Händlern noch nicht angekommen, sagte Hartmann. Und das kann er auch mit Zahlen belegen: Auf die Frage nach dem Engagement der Läden beim Thema CO2-Belastung antworteten 47 Prozent, sie hielten es noch für unbedeutend oder äußerten sich überhaupt nicht dazu. Hartmann: "Die Branche hat ihre neuen ethischen Aufgaben noch gar nicht aufgegriffen."
Er hofft nun, dass die Umsatzrückgänge die Händler wachrütteln. "Die Leute bewegen sich erst, wenn es wehtut", sagt der Branchenexperte. Beschleunigen will er den Bewusstseinswandel mit einem Fachkongress im November in Berlin. Dort sollen Händler über Alternativen zu ihrem in Schwierigkeiten geratenen Geschäftsmodell diskutieren.
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