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Umgang mit digitaler AbhängigkeitNicht sicher, aber immerhin souverän

Digitale Infrastrukturen sind fragiler, als wir denken. Zeit, sich unabhängig zu machen – für mehr digitale Souveränität in unsicheren Zeiten.

Kann nicht schaden: Verantwortung übernehmen für die ganz individuelle digitale Souveränität Foto: Bernd Feil/picture alliance

D en Untergang auch nur einer Weltordnung mitzuerleben, hätte mir durchaus genügt. Jedoch ist 1989 ff. ja Warnung genug gewesen, dass unveränderlich Geglaubtes, unverrückbare Gewissheiten und ewige Sicherheiten nicht mehr als ein Blatt im Wind sind.

Wenn der einmal zum Sturm sich aufbläht, geht es ganz schnell. Es ist halt ein bisschen viel grad. Die Erinnerung an die eigene Bedeutungslosigkeit vibriert unaufhörlich in der Hosentasche. Die imperiale Neuordnung der Welt kommt als Trommelfeuer schlechter Nachrichten auf jedes Smartphone.

Soweit man noch an Nachrichten glaubt und sich nicht schon völlig den Verschwörungstheorien und der libidinösen Verlockung der Apokalypse ergeben hat. Eine brennende Welt aber ist nicht sexy. Das können all jene bestätigen, die die letzten Jahrzehnte nicht in der mittel- und westeuropäischen Wohlstandsblase verbracht haben.

Was also ist die Lösung für die Polykrise? Für die Beantwortung solcher Fragen beschäftigt jede Zeitung ihre Geo- und sonstigen Politikchecker, die im Wesentlichen davon leben, dass niemand hinterher zurückblättert und ihnen die falschen Vorhersagen um die Ohren haut. „Die Regierung wäre gut beraten …“ Lol. Das hier ist eine Digitalkolumne.

Schmal und dunkel

Ich weiß nicht, wie weit Putin gehen und ob er seine Panzer in vier Wochen noch betanken kann. Ich weiß nicht, ob Merz mit der AfD „nur“ droht oder tatsächlich zeitnah zur Zusammenarbeit bereit ist. Ich weiß nicht, was dann wirklich geschähe (obwohl der Korridor der Möglichkeiten sehr schmal und dunkel ist). Ich weiß nicht, ob Trump einen militärischen Konflikt mit Nato-Staaten in Kauf zu nehmen bereit ist. Ob ihn jemand aufhielte.

Was ich aber weiß, ist, dass es mit gegebenen Unsicherheiten ganz gut wäre, sich unabhängig von zentral gesteuerten, nicht demokratisch kontrollierten digitalen Infrastrukturen zu machen. Denn ich weiß, was passiert, wenn Cloudprodukte großer Internetkonzerne plötzlich (also wirklich von einer Minute auf die nächste!) nicht mehr zur Verfügung stehen. Entweder, weil sie absichtlich vom Anbieter abgeschaltet oder aber von außen attackiert werden.

Ich weiß, was passiert, wenn private wie öffentliche Kommunikation der ganzen Welt mit einem Knopfdruck verändert oder unterbrochen werden. Es ist eben keine Frage der Moral oder der politischen Hygiene, besser dezentrale und unabhängige Infrastruktur zu benutzen. Es ist eine Frage des Selbstschutzes.

Tiktok wird dir nicht einfach so den Zugang zu deinem Publikum verwehren. Wirklich? Der Zugang zu deinen Office-365-Dokumenten kann nicht unangekündigt gekappt werden. Was macht dich so sicher? Bluesky wird nie so wie Twitter enden. Ach, echt? – Dein Glaube an die Zukunft ist bewundernswert. Ich fange jetzt bestimmt nicht an, einen Bunker in meinem Garten zu buddeln. Aber ein bisschen Verantwortung für meine ganz individuelle digitale Souveränität, die kann ich übernehmen. Und du auch.

Achja, die Regierung wäre übrigens gut beraten, statt auf Microsoft, Oracle und SAP, mehr auf Open-Source-Lösungen zu setzen.

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Daniél Kretschmar
Autor
Jahrgang 1976, Redakteur für die tageszeitung 2006-2020, unter anderem im Berlinteil, dem Onlineressort und bei taz zwei. Newsletter unter: https://buttondown.email/abgelegt
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3 Kommentare

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  • Hey Autor, schön Angst gemacht aber keinen Ausweg aufgezeigt. Dennoch wichtiger Artikel - aber was kann man tun? Mein persönliches Setup: lokaler Rechner: Linux und LibreOffice, Cloud und Mail in Deutschland (Mailbox.org, die auch Auskunftsersuchen der Behörden genau und transparent prüfen) oder in die Schweiz zu Proton.me. Mobil wird es schwieriger und es schmerzt. Mein Favorit: ... Fairphone mit lineageOs. Gegen backdoors in Routern oder dem Chip auf Rechnern kommt man nicht so einfach an .... hat die Community weitere Vorschläge?

  • Korrekt, und als wünschenswerter Nebeneffekt gehen weniger Gelder in Form von Lizenzen und Daten an Oligarchen, die ihre jeweiligen politischen Systeme unterstützen und jenen einen weiteren Hebel verleihen, andere Staaten zu erpressen und zu plündern.

  • Die Stadt, die mit mein Gehalt zahlt, wäre sicherlich auch super beraten, sich nicht ausgerechnet jetzt von Open-Source-Lösungen zu emanzipieren (und sich statt dessen wieder von Microsoft abhängig zu machen). Leider ist der Mensch immer und überall vor allem eines: ein Mensch. Niederlagen kann er einfach nicht gut akzeptieren. Schon gar nicht dauerhaft. Manch einer derer, die vor 20 Jahren überstimmt wurden, hatte seither also nichts wichtigeres zu tun, als die Rückkehr des längst Überholten zu betreiben. Nun ist der Traum Realität geworden. Die Zeiten sind halt einfach so, wir sie nun einmal sind. Die Rückwärtsrolle ist zum Volkssport avanciert. Auch, weil die Vorwärtsdränger ohne Rücksicht auf Verluste (anderer) vorgegangen sind. Verantwortung? Ist in hierarchischen Systemen Mangelware. Die einen dürfen und die andren können nicht. Gemeinsam haben alle nur, dass sie auch gar nicht wollen. Denn mit Verantwortung ist ja noch nie jemand Tempo-Weltmeister geworden. So richtig reich auch nicht. Nicht in der Digitalen Spur und sonst auch nirgendwo. Die Angst, abgehängt zu werden und dann gar niemand mehr zu sein, ist einfach riesengroß. Sie wird ja auch fleißig genug geschürt. 🤷