Umgang mit der AfD: Merz und die lästige Frage
Nach der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem flammt die Debatte um ein Verbot wieder auf. Wie verhält sich der künftige Kanzler Merz dazu?
Für die ersten Tage als Kanzler ist Friedrich Merz' Terminkalender schon gut gefüllt: Am Tag nach seiner Wahl fliegt er nach Paris zu Emmanuel Macron, anschließend geht's nach Warschau zu Donald Tusk. Das entspricht dem außenpolitischen Schwerpunkt, den Merz setzen will. Doch noch vor Amtsantritt holen ihn lästige innenpolitische Angelegenheiten ein, allen voran die Frage: Wie hältst Du's mit der AfD?
Nachdem der Verfassungsschutz die Partei am vergangenen Freitag als erwiesen rechtsextremistisch eingestuft hat, wird erneut über den Umgang mit ihr diskutiert. Noch vor der Bundestagswahl hatten 124 Politiker:innen fraktionsübergreifende beantragt, ein Verbotsverfahren gegen die Partei einzuleiten. Mittlerweile ist die AfD mit 152 Abgeordneten zweitstärkste Kraft im Bundestag und Oppositionsführerin. Eine klare politische Strategie gegen die Rechtsextremen fehlt. Verbieten, ausgrenzen oder sogar einbinden – gerade in Merz' CDU ist die Ratlosigkeit groß.
Zuletzt hatte CDU-Politiker Jens Spahn dafür geworben, die AfD bei parlamentarischen Verfahren und Abläufen so zu behandeln, „wie jede andere Oppositionspartei auch“. Das hieße, dass auch in den Ausschüssen AfD-Abgeordnete die Sitzungen leiten. Der Vorschlag war vor allem jenseits der Union auf Entrüstung gestoßen.
Spahn wird am Montag von der Unionsfraktion voraussichtlich zu deren neuen Vorsitzenden gewählt und damit Merz' Nachfolger im Parlament. Auf X ruderte er bereits etwas zurück: „Eine Empfehlung, AfD-Abgeordnete zu Ausschussvorsitzenden zu wählen, wird es von unserer Seite nicht geben.“
Auch CDUler unter den Verbotsbefürwortern
Die Befürworter:innen eines AfD-Verbots auch in der Union werden bereits lauter und zahlreicher. Roderich Kiesewetter zählte im alten Bundestag zum Grüppchen der sieben Unions-Unterstützer:innen eines Antrags auf Prüfung eines AfD-Verbots, den sein Parteifreund Marco Wanderwitz auf den Weg gebracht hatte. Zur Abstimmung reichte die Zeit nicht mehr, zumal eine Mehrheit nicht in Sicht war.
Wanderwitz ist inzwischen raus aus dem Bundestag. Kiesewetter aber unterstützt weiterhin ein Überprüfungsverfahren und sagte der taz: „Wenn diese Prüfung ergibt, dass die Partei nicht zu verbieten ist, dann ist das so. Wenn aber doch, dann müssen entsprechende Maßnahmen getroffen werden.“
Verstärkung bekommt Kiesewetter unter anderem von Sascha van Beek, der neu im Bundestag ist. Schon im Wahlkampf, habe er ein AfD-Verbot befürwortet, sagte der 41-jährige Abgeordnete aus Nordrhein-Westfalen der taz. „Erst recht mit der neuen Faktenlage sehe ich es als meinen Auftrag als Parlamentarier, den kompletten Werkzeugkasten zum Bekämpfen dieser Verfassungsfeinde zu nutzen.“ Ein Verbotsverfahren sei davon sicher das härteste und komplizierteste. „Aber es ist unsere Verantwortung, das zu begleiten“, so van Beek.
Mattias Quendt, Rechtsextremismus-Experte
Zu jenen, die sich der Forderung nach einem Verbotsverfahren in der Unionsfraktion anschließen, gehört nun auch Tilman Kuban. Der Jurist schreibt in einem Gastbeitrag für die Welt: Die AfD sei „nachweislich von rechtsextremen Strukturen durchsetzt.“ Wenn die Einstufung auch gerichtlich bestätigt werde, „dann braucht es ein Verbotsverfahren“.
Rechtskräftig ist die Einstufung noch nicht. Die Bundespartei kann und wird voraussichtlich noch dagegen klagen. So wie bereits 2021 gegen die Einstufung als rechtsextremer Verdachtsfall, die 2024 vom Oberverwaltungsgericht Münster bestätigt wurde.
Druck aus der Gesellschaft
Im gesellschaftlichen Umfeld der Unionsparteien wächst der Druck, entschiedener gegen die Rechtsextremen vorzugehen. Der evangelische Kirchentag, der am Sonntag zu Ende ging, verabschiedete eine Resolution für ein AfD-Verbot.
Rechtsextremismus-Experte Matthias Quendt sprach sich gegenüber der taz ebenfalls dafür aus, ein Verbot anzugehen. „Aber die Hochstufung hat noch eine größere Dimension: Sie ist Rückenwind für all jene, die sich im Alltag mit der AfD und ihren Unterstützern auseinandersetzen müssen.“ Für den kommenden Sonntag rufen über 60 zivilgesellschaftliche Initiativen zum Protesttag für ein AfD-Verbot auf.
Und der Kanzler in spe? Hält sich bedeckt. In der Vergangenheit hat Merz sich mehrfach gegen ein Verbotsverfahren ausgesprochen, genauso wie sein künftiger Kanzleramtschef Thorsten Frei. Der erklärte am Freitag, die rechtliche Hochstufung müsse jetzt geprüft werden. Zugleich könnten Rechtsextremisten und Rechtspopulisten nur politisch bekämpft werden. „Es muss unser Anspruch sein, die Menschen zurückzugewinnen, die mit der AfD sympathisieren“. Frei hofft, dass dies insbesondere mit dem Kurswechsel in der Wirtschafts- und Migrationspolitik gelingt.
Allerdings hatte auch schon die scheidende Bundesregierung erhebliche Verschärfung in der Migrationspolitik beschlossen – was Wähler:innen wohl eher in der Annahme bestärkte, dass Migration per se ein Problem sei. Die Hoffnung der Union, dass sich die AfD mit einem härteren Kurs gegenüber Migrant:innen wieder verzwergt, könnte also trügerisch sein.
AfD gibt sich beleidigt
Zumal die AfD sich nun mit ihrer Erzählung „Alle gegen uns“ profiliert. Man werde öffentlich diskreditiert und kriminalisiert, empörten sich die Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla in einer Pressemitteilung und kündigten an: „Die AfD wird sich gegen diese demokratiegefährdenden Diffamierungen weiter juristisch zur Wehr setzen.“ Das Bundesamt für Verfassungsschutz werde man auf Unterlassung der Bezeichnung „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ verklagen, so die Partei am Sonntag.
Gegen die Einstufung kann die AfD zunächst ein Eilverfahren anstrengen. Bis zur Rechtskraft kann es einige Jahre dauern. Dann aber könnte es ungemütlich für Parteimitglieder werden, etwa bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst, da hier das Gebot der Verfassungstreue gilt. AfD-Funktionär:innen müssten sogar mit Entfernung aus dem öffentlichen Dienst rechnen. Die Gewerkschaft der Polizei fordert bereits eine einheitliche Linie aller Bundesländer zu AfD-Mitgliedern bei den Sicherheitsbehörden. Darüber solle sich die Innenministerkonferenz im Juni austauschen.
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