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Umgang mit Flüchtlingen in DeutschlandHaseloff will Länder-Obergrenzen

Merkel ist gegen eine Obergrenze für Flüchtlinge. Der CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, will diese nun aber den Ländern überlassen.

12.000 Menschen könnte Sachsen-Anhalt aufnehmen, sagt Haseloff. Mehr nicht. Foto: dpa

Berlin dpa | Im Streit um die Begrenzung des Flüchtlingszustroms gibt es einen neuen Vorstoß aus den Reihen der Bundesländer. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff verlangte im Handelsblatt, die einzelnen Länder sollten Obergrenzen für die Aufnahme von Flüchtlingen festlegen. Für sein Land liege die Grenze bei 12.000 Menschen pro Jahr. Auch die anderen Bundesländer sollten Zahlen nennen, die dann den Bundeswert ergäben. „Diese Zahl müssen wir dann auch aktiv in die Fluchtländer kommunizieren und notfalls sagen: Mehr geht nicht“, sagte der CDU-Politiker.

Er verlangte, der CDU-Bundesparteitag im Dezember solle einen Beschluss zu Flüchtlingsobergrenzen fassen. „Wir müssen sagen, wie unser Plan aussieht, um der Migration Herr zu werden und die Steuerungsfähigkeit zurückzugewinnen“. Nötig sei „eine Obergrenze, die unsere Leistungsfähigkeit berücksichtigt“.

Die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel lehnt eine nationale Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen ab. Sie setzt sich für eine europäische Kontingentlösung ein.

Auch der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte, Deutschland müsse „viel mehr tun, um staatliche Steuerung und Kontrolle der Flüchtlingsbewegung wiederzugewinnen“. Das erwarte jeder Bürger von seinem Staat und seiner Regierung. Letztlich sei auch eine Entlastung Deutschlands absolut erforderlich, sagte Gabriel der Süddeutschen Zeitung (Dienstag). Er plädierte dafür, dass Deutschland in Zukunft Kontingente syrischer Flüchtlinge aufnimmt, „wie es das bei anderen Bürgerkriegskonflikten getan hat“.

„Gemeinsame europäische Antwort“

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), warnte davor, „überzogene Erwartungen“ an Flüchtlingskontingente zu wecken. So richtig diese seien, ein „signifikanter Rückgang“ der Flüchtlingszahlen werde dadurch wohl nicht erreicht, sagte Özoguz der Neuen Osnabrücker Zeitung (Dienstag). Deutschland sei nach der Genfer Flüchtlingskonvention und den EU-Richtlinien auch weiterhin verpflichtet, ein individuelles Recht auf ein faires Asylverfahren zu garantieren. „Nur eine gemeinsame europäische Antwort auf die hohen Flüchtlingszahlen wird deshalb in Deutschland zu einer merklichen Entlastung führen.“

Dagegen vertrat der CDU-Innenpolitiker Ansgar Heveling die Ansicht, die Union werde einer Kontingentlösung nur dann zustimmen können, wenn gleichzeitig der ungeordnete Zuzug über den Weg des Asylrechts gestoppt werde. Kontingente seien eine gute Möglichkeit, den Flüchtlingszuzug nach Europa zu steuern und zu begrenzen, sagte der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses der Rheinischen Post (Dienstag). „Kontingente sind aber nur denkbar statt des jetzigen ungeordneten Zuzugs und natürlich nicht zusätzlich.“

Unionsfraktionsvize Michael Fuchs plädierte dafür, dass Deutschland seine EU-Zahlungen reduziert, wenn sich die anderen EU-Länder in der Flüchtlingsfrage nicht solidarischer zeigen. „Deutschland kann nicht im bisherigen Maß der größte EU-Nettozahler bleiben, wenn die übrigen EU-Staaten nicht bereit sind, einer Kontingentlösung für ganz Europa zuzustimmen und spürbar mehr Flüchtlinge aufzunehmen“, sagte der CDU-Politiker der Rheinischen Post (Dienstag).

Das Deutsche Institut für Menschenrechte lehnte ein Aussetzen des Familiennachzugs für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge strikt ab. Dies würde gegen die UN-Kinderrechtskonvention verstoßen, erklärte die Organisation.

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5 Kommentare

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  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Haseloffs Zahlenspiele!

    Könnte doch sein, dass Sachsen-Anhalt dermaßen unattraktiv für Flüchtlinge und andere ist, dass dort nicht einmal 12000 freiwillig hinwollen.

    Abwanderungszahlen seit 1989 liegen mir im Moment für Sachsen-Anhalt nicht vor, denke aber, dass die enorm hoch sind.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @571 (Profil gelöscht):

      Lt. Wikipedia sind zwischen 1990 und 2010 per Saldo über eine halbe Million abgewandert.

      Das ist mehr als ein Sechstel der Bevölkerung.

      Der Ausländeranteil liegt bei 1,9%, der niedrigste unter allen Bundesländern.

      Bevölkerungsdichte: 109 Ew./km².

      • @571 (Profil gelöscht):

        Richtig! Und für das Jahr 2025 prognostiziert das Statistische Landesamt 1.976.237 Einwohner für Sachsen-Anhalt. Das wäre im Vergleich zum Jahr 2010 nochmal ein Verlust von 358.769 Einwohnern, mehr als 15 Prozent. (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Sachsen-Anhalt#Bev.C3.B6lkerungsentwicklung_in_den_Landkreisen_und_kreisfreien_St.C3.A4dten)

         

        Demgegenüber gibt das Statistische Landesamt die Leerstandsquote für Wohnungen in Sachsen-Anhalt mit 9,4 Prozent an (in absoluten Zahlen: 116.937 Wohnungen). (Quelle: http://www.stala.sachsen-anhalt.de/Internet/Home/Veroeffentlichungen/Faltblaetter/Zensus-2011---Wohnungsleerstand-in-Sachsen-Anhalt/Zensus_Wohnungsleerstand-in-Sachsen-Anhalt.pdf ) Und zugleich klagt die regionale Wirtschaft über einen Mangel an Arbeitskräften.

         

        Aber was interessieren einen Ministerpräsidenten von der CDU die Fakten, wenn in vier Monaten Landtagswahlen anstehen. Nein, lieber zaubert er eine Obergrenze aus dem Hut, mittels derer nicht mal ansatzweise der Einwohnerverlust im Land ausgeglichen werden kann, und fischt so bei der fremdenfeindlichen und rassistischen Klientel munter nach Wählerstimmen.

         

        Ach ja, und die Flüchtlinge, die sind natürlich auch nicht doof. 40 Prozent der dem Land Sachsen-Anhalt zugewiesenen Flüchtlinge, so der Ministerpräsident selbst, melden sich erst gar nicht im Land der Frühaufsteher oder ziehen von dort sehr schnell wieder weg.

         

        Und wer kann ihnen das verübeln, geht doch das Schüren rassistischer und fremdenfeindlicher Ressentiments durch um ihre Karriere besorgte Politiker zuallererst auf Kosten eben dieser Flüchtlinge!

  • In Sachsen-Anhalt sind im kommenden Frühjahr Landtagswahlen. Und die Beliebtheitswerte von Landesregierung und Regierungschef sind nicht gerade die besten. Deshalb geht insbesondere der CDU-Ministerpräsident Haselhoff (Achtung: Reflexfalle!) seit Monaten mit der populistischen Forderung nach Obergrenzen am rechten Rand auf Stimmenfang.

     

    Warum Populismus? Ach, das ist doch schon oft genug geschrieben worden. Zum Beispiel gerade gestern im Tagesspiegel: Mit der Forderung nach Obergrenzen, so dort Wolfgang Prosinger, rückt man "gefährlich nahe an einen Verfassungsbruch heran. Schließlich gehört der Asylrechts-Artikel 16a zu den Grundrechten … Sich daran vergreifen zu wollen, ist mehr als gewagt. Grundrechte stehen nicht zur Disposition, sind nicht limitierbar je nach momentanen politischen oder finanziellen Gegebenheiten. … Wer solche Differenzierungen aber unterlässt, der macht sich des Populismus schuldig."

     

    Anzunehmen jedoch ist, dass die CDU mit diesem Populismus die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt im kommenden Frühjahr erneut gewinnen wird. Den Problemberg aber, vor dem das Land der Frühaufsteher steht, macht sie so nur noch größer. Denn auf der Straße tobt sich in Sachsen-Anhalt der rechte Mob schon mehr als genug aus. Und wenn bis zur Landtagswahl den Rassisten in schöner Regelmäßigkeit auch noch aus der Staatskanzlei Flankenschutz gegeben wird, dann wird der rechte Mob ab nächstem Jahr gut alimentiert in Form von NPD und AfD auch im Landtag toben können.

  • Schon recht. Auch für Blödsinn dieser Art gilt Karl Valentin: Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen.