Umfrage zur Brandenburger Landespolitik: Hoffen auf die frohe Botschaft
Die AfD legt zu, das BSW verliert. Und die SPD dürfte sich über Weihnachten um Wechsler aus der BSW-Fraktion für eine Koalition mit der CDU bemühen.
3 5 Prozent. Jeder und jede dritte von Brandenburgs rund 2,1 Millionen Wahlberechtigten würde bei der nächsten Landtagswahl die AfD wählen – was sogar noch nach unten abgerundet wäre. Das ist die zentrale und gar nicht weihnachtlich stimmende Botschaft der jüngsten Umfrage im Auftrag des RBB. SPD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), die seit einem Jahr zusammen regieren, kommen nur auf 29 Prozent – bei der Wahl im September 2024 waren es noch über 44.
Nur 35 Prozent? Das könnten jetzt jene sagen, die noch im trübsten Dunkel irgendwo ein Licht zu sehen meinen. Tatsächlich liegen die Brandenburger Rechtspopulisten im ostdeutschen Vergleich nur auf Platz 4 der AfD-Landesverbände. Vor ihnen liegen ihre Parteifreunde in Sachsen-Anhalt (40 Prozent), Mecklenburg-Vorpommern (38) und Thüringen (37). Mit denen in Sachsen ist man immerhin gleichauf.
Es ist allerdings traurig, wenn man sich eine Situation auf solche Weise schönreden muss. Eine einzige Sache macht etwas Mut mit Blick auf die benachbarten Bundesländer: Während die AfD in Sachsen-Anhalt auch mit deutlich weniger als 50 Prozent eine realistische Chance auf eine absolute Mehrheit der Sitze hat – weil die Grünen aus dem Landtag fallen und die SPD und das BSW nicht erneut oder erstmals einziehen – gibt das die Umfrage für Brandenburg nicht her.
Dort, um ein weiteres Fitzelchen Hoffnung aufzuklauben, hat gegenüber der jüngsten Umfrage auch nicht das Spektrum von Linkspartei bis CDU weiter an die AfD verloren. Alle vier Parteien darin kommen zusammen gerechnet auf exakt jene 50 Prozent Rückhalt, die sie auch am Wahltag hatten. Damals konzentrierte sich allerdings ein Großteil davon auf die SPD – ihr Ministerpräsident Dietmar Woidke hatte seinen Verbleib im Amt davon abhängig gemacht, dass sie SPD stärkste Kraft bliebe.
Einbruch beim BSW
Von den 13,5 Prozent des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hingegen ist seit dem Wahltag knapp die Hälfte verloren gegangen und, zumindest bei erster Betrachtung, direkt bei der AfD gelandet. Und da sich vom Wahltag aus eine konstant abfallende LInie bei den BSW-Werten ziehen lässt, dürften weitere Verluste anstehen.
Der Brandenburger SPD-BSW-Koalition dürfte diese Entwicklung alles andere als zuträglich sein. Viele Stimmen beim BSW dürften dafür eine allzu pragmatische Politik mit den etablierten Sozialdemokraten veranwtortlich machen – und absehbar danach rufen, wieder mehr als AfD-Alternative in Opposition zu den von beiden so genannten Altparteien erkennbar zu sein.
Passiert das, dürfte die jetzige Koalition nicht mehr lange halten. Dann gäbe es ein Patt in der Brandenburger Landespolitik: Denn ersatzweise mit der CDU käme die SPD nur auf 44 der 88 Sitze im Landtag. Und anders als in Thüringen gibt es in Potsdam keine Linkspartei, die in einer solchen Situation Beschlüsse mittragen könnte.
Eine Neuwahl mit noch schwierigeren Verhältnissen ließe sich nur vermeiden, wenn von den 14 BSW-Abgeordneten jemand in Richtung Rot-Schwarz wechselt. Eine Stimme, eine einzige, würde reichen, um eine SPD-CDU-Koalition zu ermöglichen. Verbindungen zur SPD gibt es grundsätzlich genug, am meisten bei Finanzminister Robert Crumbach. Der, eigentlich Arbeitsrichter, arbeitete mal für die SPD-Landtagsfraktion und gehörte der Partei 41 Jahre lang an.
Hoffnungen auf Fraktionswechsler
Viele Hoffnungen von Ministerpräsident Woidke, seiner SPD, der CDU und anderen an verlässlichen Verhältnissen Interessierten dürften daher auf jenen beiden Mitgliedern der BSW-Fraktion ruhen, die Mitte November ihre Partei verließen und das anders als zwei damalige Mitstreiter noch nicht rückgängig gemacht haben.
Bald umhüllt zwar Weihnachtsruhe den Potsdamer Landtag. Aber hinter irgendwelchen Türen und auf manchen Telefonkanälen wird es höchstwahrscheinlich ziemlich unruhige Versuche geben, aus dieser Pause mit frohen Botschaften herauszukommen – und nicht nur mit der von Christi Geburt.
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