Umfrage zu Risiken bei deutschen Banken: Geldgeil wie zu Lehman-Zeiten
10 Jahre nach Beginn der Finanzkrise findet jeder zweite Banker, dass sich kaum etwas verändert hat. 86 Prozent wollen mehr Regulierung.
Der Rest ist Geschichte. Wenige Monate später, am 15. September 2008, ging die US-Bank Lehman Brothers pleite, die Finanzkrise verbrannte Billionen Euro an Vermögen, führte zu einer weltweiten Rezession und setzte sich in der bis heute aktuellen Eurokrise fort.
Was hat sich seitdem getan in der „Risikokultur“ der Banken? Zumindest für die deutschen Institute hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) das nun ermittelt. Die am Montag veröffentlichte Umfrage unter 100 deutschen Bankmanagern zieht eine nüchterne Bilanz. Fast die Hälfte der Befragten gab an, ein Wandel sei für sie kaum oder gar nicht zu erkennen.
Als Grund dafür geben die Finanzentscheider vor allem die Anreizsysteme der Banken an. 51 Prozent der Interviewten sehen in den aktuellen Bonusmodellen einen Treiber für die Inkaufnahme von erhöhte Risiken. Sogar 73 Prozent der Befragten stimmen der These zu, dass „auf wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtete Zielvorgaben“ dazu führen können, dass Risikofaktoren ignoriert werden.
Politik regt sich über Boni auf
Die auf kurzfristige Rendite ausgelegten Bonusmodelle vieler Banken sind seit Ausbruch der Finanzkrise stark umstritten. Die Deutsche Bank hatte zuletzt trotz Verlusten ihre Boni im Vergleich zum Vorjahr vervierfacht. Allein 1,4 Milliarden Euro flossen an die Mitarbeiter der Investmentsparte. „Millionen-Boni trotz Verlusten widersprechen jeglichem Gerechtigkeitsempfinden“, sagte SPD-Vize so Thorsten Schäfer-Gümbel. Und: „Einerseits Arbeitsplatzabbau, andererseits goldene Nasen in der Führungsetage – das kann man niemandem erklären.“
Seit der Finanzkrise werden die Institute stärker kontrolliert. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erstellt in unregelmäßigen Abständen Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk). Dort werden zum Beispiel Prüfanforderungen an Liquiditätsrisiken und Stresstests vorgegeben. In der jüngsten Ergänzung vom November vergangenen Jahres wird nun erstmals der Begriff der Risikokultur genauer ausgeführt:
„Die Risikokultur soll die Identifizierung und den bewussten Umgang mit Risiken fördern und sicherstellen, dass Entscheidungsprozesse zu Ergebnissen führen, die auch unter Risikogesichtspunkten ausgewogen sind“, heißt es da. Kennzeichnend für eine angemessene Risikokultur sei vor allem das klare Bekenntnis der Geschäftsleitung zu „risikoangemessenem“ Verhalten und die strikte Beachtung des durch die Geschäftsleitung kommunizierten Risikoappetits durch alle Mitarbeiter.
Genauere Vorgaben macht die Bafin allerdings nicht – und auch bei den Instituten fehlt eine genaue Ausformulierung einer Risikokultur. Einen formellen Wertekanon gibt es laut PwC-Studie nur etwa in jeder vierten Bank. Und selbst dort sehen nur knapp mehr als die Hälfte der Befragten eine hohe Übereinstimmung zwischen dem Kanon und der gelebten Praxis.
Wo es an internen Vorgaben fehlt, müssen externe her – so sieht das die große Mehrheit der Bankmanager. 86 Prozent stimmen der Aussage zu, dass „ein stärkerer Einfluss durch Regulierung und Aufsicht hilft, die Risikokultur im Finanzsektor zu verbessern.“ 39 Prozent der Befragten sehen regulatorische Anforderungen als Treiber für eine Auseinandersetzung mit dem Thema.
Ein mögliches Fazit aus der Befragung: Erneuerung kommt durch Regulierung. Insofern müsste man Josef Ackermann ergänzen. Banken müssen ihre Risikokultur überarbeiten – und der Staat sie dabei freundlich, aber bestimmt anschieben.
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