Umbildung des Berliner Senats: Der nächste Stuhl wackelt bereits
In der SPD sind viele mit Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer unzufrieden.
Welcher Senator könnte der nächste sein? Nach dem Rücktritt von Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner rätselt das politische Berlin, wer auf der Senatsbank sich sonst noch zu alt fühlt, den Rückhalt in der eigenen Partei verloren hat oder nicht mehr das Vertrauen des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) genießt. Und immer wieder wird dabei ein Name genannt: Ingeborg Junge-Reyer, die Stadtentwicklungssenatorin der SPD. Die habe schon länger "einen schlechten Lauf", heißt es aus ihrer Fraktion.
Niemand will namentlich genannt werden, aber unter der Hand klagen SPDler reihenweise über die miserable Vorstellung ihrer Senatorin. Die hatte auf dem jüngsten Parteitag etwa mit vollem Einsatz für die Verlängerung der Autobahn 100 geworben. Doch die Basis stimmte dagegen. "Das war eine schallende Ohrfeige", sagt einer. "Es wäre klüger gewesen, sie hätte sich nicht so vehement für die Autobahn eingesetzt."
Auch in ihrem eigenen Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg bröckelt der Rückhalt - unter anderem wegen Mediaspree. Junge-Reyer will den Ausbau der Spreeufer zu einem neuen Stadtquartier durchsetzen, ihre Basis setzt sich für mehr Grünflächen ein. "Wir können nicht mehr bei ihr durchdringen", sagt einer aus dem Bezirk.
Was noch schwerer wiegt: Auch beim Regierenden Bürgermeister sind Anzeichen einer gewissen Junge-Reyer-Verdrossenheit zu beobachten. Er mischte sich häufiger in ihr Ressort ein - ob bei der eigenmächtigen Vergabe des Flughafengebäudes in Tempelhof an die Modemesse Bread & Butter, bei der Standortentscheidung für die Zentral- und Landesbibliothek oder mit seinen Äußerungen für eine Bebauung der Fläche vor dem Rathaus.
Richtig gut für Junge-Reyer lief der Konflikt mit der S-Bahn: Erst kritisierte sie die Geschäftsführung, dann trat diese zurück. In der SPD-Fraktion ist freilich auch Kritik zu hören: "Wenn sie die S-Bahn vorher besser ins Visier genommen hätte, wäre das Chaos vermeidbar gewesen."
Junge-Reyer galt einmal als mögliche Nachfolgerin von Wowereit. Das hat sich erledigt, sagt einer: "In der Fraktion ist nicht mehr der überschäumende Wunsch zu spüren, dass sie Regierende Bürgermeisterin wird." Ihren baldigen Rücktritt muss das allerdings auch noch nicht bedeuten. SEBASTIAN HEISER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!