Umarmung auf dem EU-Gipfel in Brüssel: Wer ist der Mann, der Merkel drückt?
Nach der Einigung über die Flüchtlingspolitik fällt die Kanzlerin einem unscheinbaren Brillenträger in die Arme. Was will der Kerl?
Es ist Juha Sipilä, Ministerpräsident von Finnland. Er schätzt Angela Merkel schon seit längerem. „Eine der weltweit einflussreichsten Personen“ nannte er die deutsche Bundeskanzlerin, als er ihr im Dezember als erster Preisträgerin den von seiner Regierung neu gestifteten „Gender Equality Prize“ verlieh: „Ein Vorbild für viele Frauen und Mädchen.“
Und auch Merkel schätzt den „lieben Juha“, wie sie ihn im letzten Jahr bei einem Besuch in Berlin begrüßte: Denn international und auf EU-Ebene kämpften seine und ihre Regierung traditionell für „gemeinsame Lösungen“.
Allzu schwer dürfte es Sipilä nicht gefallen sein, die in Brüssel getroffenen Vereinbarungen mitzutragen. Anders als 2015, als mehr als 30.000 Asylsuchende nach Finnland gekommen waren, beherrscht das Flüchtlingsthema nicht mehr die politische Tagesordnung des Landes. Was zum einen an den bloßen Zahlen liegt: Nur noch 2.100 Asylsuchende waren 2017 ins Land gekommen.
Zum anderen wurden Aslyrecht und -praxis in den Jahren der Regierung Sipilä so verschärft, dass sogar die rechtspopulistische „Blaue Zukunft“, eine Abspaltung der „Wahren Finnen“, die in Sipiläs Koalitionsregierung eingehen, damit zufrieden ist.
Ein Pragmatiker durch und durch
Nicht umsonst hat der 57-jährige den Ruf, ein ausgesprochener Pragmatiker zu sein. Außerhalb seiner liberal-konservativen Zentrumspartei hatte ihn kaum jermand gekannt, als er – gerade ein Jahr im Parlament und ohne längere Erfahrung in der Politik – 2012 überraschend zu deren Parteivorsitzenden gewählt wurde.
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Drei Jahre später führte er das Zentrum zum Wahlsieg und bildete eine Regierungskoalition, die neben der konservativen Sammlungspartei erstmals die Rechtspopulisten einschloss. Ideologische Unterschiede seien doch eher zweitrangig, betonte er – „wir haben schon vergessen, welchen Parteien wir angehören“ – und kündigte an, Finnland wie ein Unternehmen führen zu wollen.
Darin hat er Erfahrung. Bereits mit 35 Jahren war der studierte Ingenieur dank erfolgreicher IT-Geschäfte Multimillionär geworden und engagierte sich auch in grüner Energieerzeugung. Auslöser war die Rechnung des Elektrizitätsversorgers, der für den Stromanschluss seines Freizeithauses ans nationale Netz 70.000 Euro haben wollte – mehr als das Haus gekostet hatte. Worauf Sipilä sich ein eigenes Holzgaskraftwerk bauen ließ, das dann gleich einen ganzen Ortsteil autark von der zentralen Stromversorgung machte.
Grüne Arbeitsplätze und Atomkraft
Dezentralisierung sei die Zukunft, verkündete der bei den strenggläubigen lutherischen Laestadianern aktive Sipilä damals: Finnland könne mit ähnlichen Projekten 200.000 „grüne Arbeitsplätze“ schaffen. Dass er gleichzeitig auch das umstrittene Mamutprojekt eines AKW-Neubaus oder die Umwelt zerstörende Minenprojekte unterstützt – darin sieht er keinen Widerspruch. Sie bringen ja auch Arbeitsplätze.
Bei den FinnInnen kann Sipilä damit punkten, dass er als bodenständig gilt und recht sympathisch über die Mattscheibe kommt. Und falls er im kommenden Jahr nicht wiedergewählt werden sollte? „Dann verabschiede ich mich wieder aus der Politik und tüfftle weiter am Holzvergaser meines Pick-up herum.“
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