CDU und Linkspartei: Die Befreiung vom Hufeisen
Der Unvereinbarkeitsbeschluss der Union, nicht mit den Linken zusammenarbeiten, wurde bislang blumig ausgelegt. Höchste Zeit, dass sich CDU und CSU vom Hufeisen befreien.

D er Beschluss ist eigentlich recht dürr. Im Protokoll des CDU-Parteitags von Anfang Dezember 2018 steht im Kapitel „Sonstige Beschlüsse“: „Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland ab.“
Blumig dagegen war seither die Auslegung. Unter „ähnliche Formen der Zusammenarbeit“ fasst man bei der CDU vieles – nicht aber, gemeinsam mit der Linksfraktion eine Geschäftsordnung so zu ändern, dass die Wahl eines Bundeskanzlers im zweiten Wahlgang selbigen Tags noch möglich ist. So geschehen am 6. Mai, und es hat dann ja auch alles im Sinne der CDU und ihres Bundeskanzlers geklappt.
Die Führungs-Linken, die das Votum ermöglichten, haben sich auf ihrem Parteitag in derselben Woche dagegen ganz schön Kritik anhören müssen, was ihnen denn einfalle, Friedrich Merz die Rampe so passgerecht hinzulegen, statt ihm wenigstens die Blamage eines zweiten Wahlgangs erst einige Tage später zu gönnen.
Einen Mitte-Rutsch und die „Gefahr der Establishmentisierung“ sah außerdem das Jacobin-Magazin. Allerdings hatte auch die Linkspartei einen Zeitplan, den sie gern einhalten wollte: Schließlich ist so ein Parteitag teuer, und er hätte geschoben werden müssen, wenn der zweite Wahlgang just auf denselben Termin gefallen wäre.
Ausschließen wäre blöd
Möglicherweise aber haben sich die Linken mit der Geschäftsordnungs-Aktion wenigstens einen Anspruch darauf erstimmt, die Reform der Schuldenbremse mit vorzubereiten, die dieses Jahr ansteht. Zur Abstimmung darüber würden sie wegen der nötigen Zweidrittelmehrheit ohnehin gebraucht. Sie von Vorarbeiten auszuschließen, wäre schon deshalb blöd.
Blöd war es aber auch von mir, zu glauben, die CDU hätte mit der Kanzlerwahl ihr Linken-Ächtungs-Gebot von 2018 endlich abgeräumt. Zwar sagte der frisch ernannte Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) am Tag nach der Merz-Wahl im Deutschlandfunk: „Wir werden uns mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie wir in den aktuellen Mehrheitsverhältnissen im Bundestag damit umgehen werden“ – also, mit dem Kooperationsverbot.
Doch dafür wurde er erheblich gerüffelt, und Merz schlug gleich darauf wieder auf das alte, längst schon scheppernde Trömmelchen. „Wenn Sie die Linke zur politischen Mitte zählen, nur weil sie einem Geschäftsordnungsantrag zustimmt, könnten Sie die AfD auch dazuzählen“, sagte er im Zeit-Interview.
Es sieht also aus, als bekäme die CDU frühestens auf ihrem nächsten Parteitag Gelegenheit, sich eines Besseren zu besinnen und sich das Hufeisen vom Hals zu laden. Ob der Schuldenbremsen-Umbau so lange warten kann?
Nicht zuletzt harren in Karlsruhe ein paar pensionierungswillige VerfassungsrichterInnen der Ablösung. Sollen ihre NachfolgerInnen, wie eigentlich vorgesehen, vom Bundestag bestimmt werden, bräuchte es – genau: die Stimmen der Linksfraktion. Ein Richter mit CDU-Ticket wartet jetzt schon so lange, dass das Gericht beschlossen hat, sich selbst auf die Suche nach neuem Personal zu machen, wie diese Woche bekannt wurde.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Möglicherweise stimuliert das die ideologischen Umrüstungen bei der CDU ein wenig. Denn zwar braucht sie Gegner rechts wie links, um die Mitte allein für sich selbst zu reklamieren. Doch endet der symbolpolitische Spaß meist, wenn es um Personalfragen geht. Denn mangels eigener Inhalte und Ideen ist das ja der Endzweck aller Unions-Politik: Hauptsache, die eigenen Leute sind am Ruder.
Das Verrückteste an der Sache ist, dass genau dies ihrer Wählerschaft noch immer gereicht hat.
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