Ulrike Herrmann über die deutsche Wachstumsschwäche: Es kann nur abwärts gehen
Die deutsche Wirtschaft müsste eigentlich boomen. Der Eurokurs ist stark gefallen, so dass die deutschen Waren auf dem Weltmarkt extrem billig sind. Gleichzeitig sind die Kreditzinsen so niedrig, dass die Firmen mühelos investieren und die Bürger ihre langgehegten Konsumwünsche befriedigen könnten. Auch der Ölpreis ist in die Tiefe gestürzt, was in fast allen deutschen Portemonnaies zu spüren ist. Und schließlich steigen die Löhne in Deutschland – was ebenfalls einen Kaufrausch auslösen müsste.
Müsste. Denn faktisch stagnieren die Umsätze im Einzelhandel, und die Investitionen der deutschen Firmen sinken sogar. Von einem Boom ist nichts zu sehen, stattdessen wurden die Börsianer sofort unruhig, als die chinesische Währung Yuan nachgab und eine Konjunkturflaute in China zu drohen schien. Dabei machen die Exporte nach China nur 6,6 Prozent der deutschen Ausfuhren aus – es war also höchstens eine kleine Delle im Außenhandel zu befürchten. Aber wie die Börsianer richtig ahnen, ist die deutsche Wirtschaft so labil, dass sie selbst durch kleinere Turbulenzen im fernen China zu erschüttern ist.
Diese seltsame Konjunkturschwäche zeigt, dass die Eurokrise Deutschland längst erreicht hat – obwohl viele Bundesbürger glauben, sie würden auf einer Insel der Stabilität wohnen, die von einem Meer von Defizitländern umspült ist. Aber dieses „Wir“ und „Sie“ funktioniert nicht. Die Europäer sind Deutschlands beste Kunden, so dass es auch der hiesigen Wirtschaft schadet, wenn überall gespart werden soll.
Es ist höchste Zeit, dass die deutsche Regierung ein Konjunkturprogramm startet. Denn es kann nur noch abwärts gehen, wie die vier Ns zeigen: Niedrige Zinsen, niedriger Ölpreis, niedriger Eurokurs und niedrige Arbeitslosigkeit konnten die deutsche Wirtschaft nicht anschieben. Jede kleine Erschütterung, ob in China oder anderswo, wird auch hier eine Rezession auslösen. „Schwarze Null“ ade.
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