Ulrich Schulte über den Vorstoß von Julia Klöckner: Plan mit doppeltem Boden
Ja, es ist leicht, den Vorstoß von Julia Klöckner in der Flüchtlingspolitik als Wahlkampfgeklingel abzutun. Allein der lustige Name. "Plan A 2" hat die Christdemokratin aus Rheinland-Pfalz ihr Strategiepapier genannt. "A 2", weil "Plan B" zu sehr nach Kritik an der Bundeskanzlerin klänge, die ja bekanntlich immer noch auf Plan A setzt, also darauf, sich mit anderen EU-Staaten auf eine Verteilung der Flüchtlinge zu einigen. Nur glauben immer weniger in CSU und CDU daran.
Klöckner will der SPD das Ministerpräsidentinnenamt in Rheinland-Pfalz abjagen. Ist ihr Plan also nur der durchsichtige Versuch einer Wahlkämpferin, ihr Profil zu schärfen? Ja, sicher auch das. Aber es gibt auch Hinweise darauf, dass die Ideen aus Mainz in der Bundespolitik wichtiger werden könnten, als viele denken. Klöckners Plan klingt, als sei er im Kanzleramt geschrieben worden.
Klöckner setzt sich ja eben nicht von Merkels Lösung ab. Stattdessen skizziert sie ein Szenario, das Merkel parallel anschieben könnte – und das ein paar Daumenschrauben für unwillige EU-Staaten bereithält. Dazu kommt das demonstrative Lob von CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Wenn ein bekennender Merkel-Unterstützer eine Idee gut findet, spricht viel dafür, dass Merkel das so ähnlich sieht. Schließlich vermeidet der Plan sorgsam eine Obergrenze, die mit der Kanzlerin nicht zu machen wäre. Stattdessen schlägt Klöckner von Tag zu Tag neu definierte Kontingente für Flüchtlinge vor. Das wäre zwar irgendwie auch eine Obergrenze, aber eine klügere, die nicht so hieße. Die Flüchtlingszahlen ließen sich jedenfalls wunderbar reduzieren.
Was Klöckner vorschlägt, wäre also ein gesichtswahrender Kompromiss für Merkel und ihre Kritiker. Merkel könnte Obergrenzen nach wie vor als Unfug bezeichnen, Horst Seehofer könnte sich dafür loben, eine Begrenzung durchgesetzt zu haben. Klöckners lustig klingendes Papier skizziert in Wirklichkeit Angela Merkels Plan B.
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