Ukrainisches Medienprojekt: Für die Freiheit

Das unabhängige Medienprojekt „Donbas Frontliner“ berichtet seit einem Jahr aus der Ostukraine. Einblicke in ihre Arbeit im Kriegsgebiet.

Junger Mann schaut aus einem russischen Panzer

Reporter halten Szenen aus dem Frontgebiet fest Foto: Andriy Dubchak/Donbas Frontliner

KIEW taz | In ihren Videos und Texten sprechen sie selbst am wenigsten, die Reporter des ukrainischen Medienprojekts „Donbas Frontliner“. Die Bilder und Videos, die sie zeigen, sprechen für sich, und die Menschen, die sie interviewen, bedürfen keiner Kommentierung mehr. Gerade weil nicht viele Reporter direkt an die Front in der Ostukraine reisen, haben sich das vor einem Jahr in der Ukraine gegründete „Donbas Frontliner“-Projekt das Ziel gesetzt, direkt von der Front zu berichten und KollegInnen zu unterstützen, die das auch wollen.

Es reiche nicht, Berichte von OSZE oder Militärs zu lesen und auch zu analysieren, Journalisten müssten mehr an die Front fahren, sich ein Bild von dem machen, was los ist, so die „Donbas Frontliner“ auf ihrem Portal. Finanziert wird die Arbeit des Medienprojekts von Spenden und westlichen Stiftungen, wie der Renaissance-Stiftung des Milliardärs George Soros.

Ihre Videos sind keine leichte Kost: immer wieder Bombenkrater, Verletzte, Lazarette, Blut, Ärzte bei der Arbeit, Bahren für Verwundete und Tote. Ein Dorfbewohner führt die Reporter auf den Friedhof, zeigt ihnen mehrere frische Gräber. Drei der Toten seien jüngst von den russischen Besatzern erschossen worden, berichtet er unter Tränen. Kriegsreporter Andriy Dubchak, seit Jahren Foto- und Videokorrespondent und nun Gründer und Chef von „Donbas Frontliner“, schafft es mit seinen Videoreportagen den ZuschauerInnen etwas vom Lebensgefühl der Menschen in den umkämpften Orten zu vermitteln.

Ärzte, die Schwerverletzte behandeln, beschreiben den ReporterInnen ihre Gefühle. Eine Frau an einer Bushaltestelle, an der schon lange kein Bus mehr fährt, erzählt, warum sie ihre umkämpfte Stadt Bachmut nicht verlassen will, obwohl die meisten schon gegangen sind. „Ich bin für die Katzen und Hunde zuständig, die hier sind.“ Sie bleibt in ihrer Wohnung, geht nun eben alle Strecken zu Fuß. Und die 65-jährige Nadja fragt eher rhetorisch: „Soll ich denn meine 95-jährige Mutter einfach hier lassen? Sie kann doch nicht laufen.“

Man kann nachempfinden, dass der Bauer, der die Reporter, begleitet von seinen Hunden, durch sein Gehöft führt, resigniert und hilflos ist. An einer Wand ist noch ein „Z“, das die Besatzer gemalt hatten, am Boden liegt ein leeres Paket mit der Aufschrift „Russische Armee“, in der Küche ist alles durchwühlt. In seinem Haus hatten russische Soldaten gelebt. Und man kann gleichzeitig verstehen, dass der Mann hier zu Hause ist, nicht weg will.

Russische Besatzung

Am Gartentor ihres Hauses interviewte „Donbas Frontliner“ eine ältere Frau, die von den Schüssen berichtet, von den Tagen und Nächten, die sie in ihrem Keller verbracht hat und den Grausamkeiten, die sie vor allem durch Militärs der „Volksrepubliken“ Lugansk und Donezk erfahren hat. Sechs Monate habe sie unter russischer Besatzung gelebt, berichtet sie. Und trotzdem scheint sie gerne in diesem Garten zu stehen.

Deutlich wird dieses Gefühl auch bei einem anderen Video, das eine Frau, die Kartoffeln sortiert, zeigt – und im Hintergrund ein abgebranntes Haus. Dubchak spricht in einem Video auch von seinen persönlichen Ängsten. Aggressiver geworden sei der Krieg, so seine Beobachtung. Und fügt dann hinzu: „Gut, dass ich überlebt habe.“.

„Seit der Gründung des unabhängigen, interaktiven Mediums „Donbas Frontliner“ im Jahr 2021 sind die Foto- und Videoreportagen von Andriy Dubchak eine der wichtigsten Informationsquellen über das Leben an der Front im Donbas“, heißt es in der Würdigung der Zeit-Stiftung für die Auszeichnung von Dubchak mit dem Free Media Award 2022.

Dubchak, der seit 2003 für Radio Liberty arbeitet, war der erste Journalist, der die Maidan-Proteste 2013 live gestreamt hatte. Wenig später, als Russland die Krim annektierte, war er auch vor Ort. Sein Team war zur Stelle, als die Verbrechen von Irpin und Butscha bekannt geworden sind. Und die „Donbas Frontliner“ hatten auch vor einer Woche direkt aus Cherson den Einsatz von Streubomben durch die russische Armee dokumentiert.

Dubchak sieht seine Arbeit als Reporter auch als Kampf für Freiheit und Unabhängigkeit. In einer Message an seine Zuschauer im Ausland ruft er diesen zu: „Ihr müsst uns helfen, denn wir kämpfen für unsere Unabhängigkeit, für die Freiheit. Wir sind freie Menschen. Und wenn wir das hier nicht stoppen können, wird sich das, was wir hier erleben, auf Europa ausbreiten.“

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