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■ Übung in der Hauptstadt: Die Berliner durften den Euro ausprobierenGanz praktisch und mit Röstzwiebeln

Irgendwie wirken die Münzen unecht. Zu leicht, von seltsamer Farbe, angelehnt an Messing und Kupfer. Oder ist es Messing und Kupfer?

Unecht, aber gültig: Für eine Woche ist der Euro harte Währung. Zumindest auf dem „Europäischen Frühlingsfest“ vor dem Roten Rathaus in Berlin sowie in „ausgewählten Geschäften“ (Promo). Zur Probe ist er gut für Speisen, Getränke und das eine oder andere Paar Schuhe all jener europäischer Herren Länder, in denen im Jahr 2002 die neue Währung nach optimistischen Schätzungen eben dieser Herren wirklich eingeführt wird. Mehr als eine Million „Berlin-Euros“ (Kehrseite der Medaille: Brandenburger Tor) hat die Landesbank Berlin eigens für die Europawoche vom 2. bis zum 11. Mai prägen lassen, um dem Volk gemeinsam mit dem Senat und einigen anderen Institutionen, die das Wort Europa im Briefkopf führen, zu beweisen, daß der Euro weder böse noch gefährlich, sondern allenfalls gewöhnungsbedürftig ist. Genau wie die Nennwerte des Spielgeldes, die eigens krumm gewählt wurden, damit sie dereinst, nach der realen Währungsunion, nicht von leichtgläubigen Einzelhändlern für bare Münze genommen werden: Die Berliner üben den Umgang mit der Einheitswährung anhand von Jetons zu anderthalb, zweieinhalb und zehn Euro bei einem Wechselkurs von immer doppelt soviel Mark, wie Euro draufsteht. Ob sie wohl wirklich funktionieren?

Eberhard Diepgen hat es versprochen. Der Regierende Bürgermeister betrat die Bühne des mäßig besuchten Volksfestes mit einem gewichtigen Anliegen: „Erzählen Sie bitte Ihren Nachbarn und Arbeitskollegen von der Erfahrung, daß man mit dem Euro ganz praktisch umgehen kann.“ Ob man wirklich kann? Und vor allem: An welchem der zahlreichen teileuropäischen Konsumgüter auf dem Frühlingsfest ist der Euro korrekt bedeutungsschwanger zu erproben? Pfälzer Saumagen (3 E) scheidet aus. Vielleicht etwas Nützliches? Den Kaffeebecher im Europafahnendesign (5 E)? Oder – wegen der Idee aufeinanderzuspazierender Kulturen – ein Preussen-Pils am italienischen Imbiß?

Der Hunger argumentiert für den dänischen Riesen-Hotdog (3 E, mit Röstzwiebeln); zweimal zweieinhalb Euro sind zügig identifiziert. Ratlos wiegt die Verkäuferin das befremdliche Hartgeld in der Hand. „Das sind 10 Mark“, kommt ihr der Chef zu Hilfe, „da mußt du jetzt vier Mark rausgeben.“ Mark? „Geht nicht anders, es gibt ja noch keine Zweier.“

Wie immer, wenn es etwas Neues, zudem Obskures gibt, kommen die Menschen ins Gespräch. Die ältere Dame mit dem jungen Eisverkäufer von „Mövenpick“ zum Beispiel: „Das macht zweieinhalb Euro.“ Schon ist sie weg, die prägefrische Münze unklaren Wertes. „Hat das Eis jetzt 5 Mark gekostet?“ – Schuhverkäuferinnen plaudern entspannt mit zahlreichen Journalisten („Nein, nein, nein. Hier hat noch niemand mit Euro bezahlt!“). Niemand, der nach Hause geht, hat nichts gelernt. Europablaue Broschüren und engagierte junge Menschen an den Wechselschaltern geben Auskunft in jeder Frage. Wie wird eigentlich der Pfennig vom Euro heißen? „Cent – wenn sich die Franzosen nicht querstellen“, weiß ein Bänker „bei denen heißt das ja auch Hundert.“

Hat der Kleinsparer Einbußen zu befürchten? „Durch die Umstellung kann es keine Gewinne oder Verluste geben“, teilt die Broschüre „Der Euro rollt“ mit. „Sie können es sich so vorstellen: Ob sie ein Kilo oder zwei Pfund Bananen kaufen, die Menge bleibt die gleiche.“ Und noch eine Lehre ist zu ziehen: Bei der Errichtung künstlicher Binnenmärkte mit eigener Währung sollten künftig keinesfalls wieder prototypische Zigarettenautomaten vergessen werden. Holger Wicht

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