Überwindung des inneren Schweinehunds: Frauen mit Frustrationstoleranz

Nach 19 Jahren Handball-Pause trainiert unsere Autorin wieder mit einem Team. Sie schwankt zwischen totaler Erschöpfung und Euphorie.

Handball auf Turnhallenboden

Immer öfter geht der Ball ins Tor, Verlass ist darauf aber (noch) nicht Foto: Joaquim Ferreira/HMB Media/imago

Hamburg taz | Das Gefühl auszuhalten, etwas nicht zu können, ist das schwierigste. Schlecht zu sein, beobachtet von einem ganzen Team, und trotzdem weiterzumachen. Während ich das denke, stütze ich meine Hände auf den Knien ab. Mein Atem geht heftig. „Alles klar?“, fragt eine Teamkameradin. Ich nicke nur, weil mir für ein Ja gerade die Luft fehlt. Mein Körper nimmt es mir krumm, dass ich in den vergangenen Jahren nie ernsthaft Sport gemacht habe.

Jetzt stehe ich in kurzen Hosen in einer Schulsporthalle in Hamburg-Wilhelmsburg. Das Licht in einer Neonröhre flackert, es riecht nach Menschen, die in diesem Raum in den vergangenen Wochen und Monaten geschwitzt haben. Nach fast 19 Jahren Pause – das entspricht der kompletten Lebenszeit einiger meiner Mitspielerinnen – habe ich wieder angefangen, Handball zu spielen. Die Basics sind noch da. Oft erinnert sich mein Körper an die Bewegungsabfolgen und weiß, was zu tun ist. Verlass ist darauf aber nicht. Erst recht nicht bei Atemnot.

Jetzt stehen Tempogegenstöße an – mein persönlicher Endgegner. Glücklicherweise haben wir nur die halbe Halle. Ich stehe an der Grundlinie, eine Mitspielerin ein paar Meter entfernt. Ich sprinte los. Als ich der Mittellinie näher komme, wirft sie den Ball. Ich fange – yeah! – und prelle wieder in die entgegengesetzte Richtung.

Dann drei Schritte, beim letzten wuchte ich mich in die Höhe und werfe im Sprung aufs Tor. Halbe Höhe. Unsere Torfrau pariert und lächelt mich milde an. Zurück in die Reihe, stoßweise nach Luft pumpen, dann der nächste Versuch: Toooooor! Von komplett erledigt zu absolut euphorisch in weniger als einer Sekunde.

Teil eines Teams

Von Training zu Training werde ich besser. Tausche das ausgewaschene taz-Shirt mit dem roten Panther gegen neu gekaufte Handball-Klamotten, steigere die Prozentzahl, mit der ich über den Daumen gepeilt dorthin treffe, wohin ich ziele, und ich verschiebe den Zeitpunkt, an dem ich von Seitenstichen geplagt nur noch flach auf dem Boden liegen möchte, immer weiter nach hinten.

Mittlerweile gehe ich sogar zwischen den Trainingseinheiten alleine joggen. Absurd! Ganz auf mich gestellt könnte ich mich nicht dazu motivieren. Als Teil eines Teams geht das aber plötzlich. Es war mir gar nicht bewusst, wie sehr ich es vermisst habe, wieder in einer Mannschaft zu spielen. Wenn alle dich pushen, dir Tipps geben oder dich für eine besonders gute Abwehrreaktion loben, macht das Auspowern bis zur Erschöpfung tatsächlich – Spaß. Der innere Schweinehund schrumpft auf Pekinesengröße.

Mein Team, die vierte Damen der SG Wilhelmsburg, sucht übrigens noch Mitspielerinnen. Die Voraussetzung: eine gewisse Frustrationstoleranz.

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