Überweisung an Lehman Brothers: KfW-Banker schlecht informiert
Die staatliche Bank erklärt die umstrittene Überweisung an die insolvente Lehmann Brothers mit fehlenden Informationen. Sie rechnet mit Verlusten von 175 Millionen Euro.
BOCHUM taz Die staatliche KfW-Bank hat Vorwürfe zurückgewiesen, ihre Mitarbeiter hätten in vollem Bewusstsein eines möglichen Totalverlusts 350 Millionen Euro an die insolvente New Yorker Investmentbank Lehman Brothers überwiesen. Vielmehr hätten ihre Banker das Risiko nicht erkannt, so die KfW: Der Überweisung lag "eine Fehleinschätzung der verantwortlichen Abteilungen zum Insolvenzrisiko bei Lehman Brothers zugrunde". Die KfW rechnet deshalb mit Verlusten von mindestens 175 Millionen Euro.
Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU), Vorsitzender des KfW-Päsidialausschusses und des Verwaltungsrats der Staatsbank, warf der KfW dagegen vor, ihre Mitarbeiter hätten wohl auf eine Rettung von Lehman durch die US-Notenbank Fed gehofft und seien deshalb volles Risiko gegangen. "Wir werden dies aufklären, und wir werden die nötigen Konsequenzen daraus ziehen", so Glos. Politisch verantwortlich sei aber nicht er, sondern Finanzminister Peer Steinbrück (SPD).
Die Banker hätten das Geschäft mit Lehman "schlicht noch mitnehmen" wollen, ist auch aus dem KfW-Verwaltungsrat zu hören. Die Staatsbank selbst bleibt bei ihrer Darstellung. Auch nach der fatalen Fehleinschätzung am 12. September - das war ein Freitag - habe es niemand für nötig befunden, die Entwicklung bei Lehman über das Wochenende im Auge zu behalten, sagte KfW-Chef Ulrich Schröder dem Handelsblatt: "Die Situation ist über das Wochenende nicht beobachtet worden." Am Montag habe die KfW im Rahmen eines schon länger geplanten, bereits in die Computersysteme eingestellten Währungsgeschäfts um 8.37 Uhr die 350 Millionen überwiesen - obwohl die Pleite längst bekannt war. Ein Meeting der zuständigen Abteilungen aber sei erst für 9.30 Uhr angesetzt gewesen. Bankchef Schröder kündigte deshalb "strukturelle Konsequenzen" an. Das bisher geltende "Konsensprinzip" habe dazu geführt, dass "sich niemand verantwortlich fühlte", so ein KfW-Sprecher zur taz. Nötig seien nun "strengere Hierarchien" und "klare Entscheidungsprozesse".
Bereits am Donnerstag hatte Schröder die Vorstände Peter Fleischer und Detlef Leinberger sowie den für das Risikocontrolling verantwortlichen Bereichsleiter Rainer Hartje beurlaubt. Alle drei sollen entlassen werden. Nach taz-Informationen prüft das Frankfurter Büro der internationalen Anwaltskanzlei Clifford Chance arbeitsrechtliche Details.
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