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Überwachung von Merkels HandyAllgemeine Empörung

Nach Berichten über eine mögliche Überwachung von Angela Merkels Handy durch den US-Geheimdienst wird parteiübergreifend Kritik laut. Die USA bleiben cool.

Praktisch: Für ihre Beschwerde brauchte Merkel nicht mal Obamas Nummer wählen. Bild: dpa

BERLIN/WASHINGTON ap/afp/dpa | „Sollten sich die Hinweise bewahrheiten, wäre es ein ungeheuerlicher Vorgang und ein massiver Vertrauensbruch“, sagte der Parlamentarischen Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Michael Grosse-Brömer, am Mittwoch als Reaktion auf die Berichte, dass Angela Merkels Handy vom US-Geheimdienst abgehört wurde. „Ein solches Vorgehen der US-Geheimdienste hätte eine neue Qualität und wäre scharf zu verurteilen“, betonte der CDU-Politiker. Die USA müssten „umfassend und nachvollziehbar für Aufklärung sorgen“.

Auch CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach forderte in der Welt Aufklärung von den USA. Sollte „sich der Vorwurf bestätigen, wäre das ein gewaltiger Vertrauensbruch und eine schwere Belastung für die Beziehung zwischen Deutschland und den USA“, sagte Bosbach. Der SPD-Innenexperte Michael Hartmann sagte derselben Zeitung, vieles spreche dafür, dass die Daten von Merkels Handy überwacht worden seien. „Das sprengt alle Dimensionen“, sagte Hartmann. Die USA müssten nun im Detail aufklären, damit das Verhältnis zwischen beiden Staaten nicht maßgeblich gestört werde.

Der SPD-Chef in Schleswig-Holstein, Ralf Stegner sagte dem Handelsblatt, eine Ausspähung von Handys „deutscher Politiker, aber auch anderer Bürger durch den amerikanischen Geheimdienst wäre in jeder Hinsicht skandalös“.

Merkels Sprecher Steffen Seibert hatte am Mittwochabend mitgeteilt, dass das Handy der Bundeskanzlerin möglicherweise überwacht worden sei. Die Bundesregierung habe entsprechende Informationen erhalten. Merkel habe in der Angelegenheit am Mittwoch mit US-Präsident Barack Obama telefoniert und klargemacht, „dass sie solche Praktiken, wenn sich die Hinweise bewahrheiten sollten, unmissverständlich missbilligt und als völlig inakzeptabel ansieht“. Obama wies die Vorwürfe zurück.

Beharrliches Runterspielen

Auch Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat entschiedene Schritte der neuen Bundesregierung gegen die überbordende Überwachung gefordert. „Der Bericht, dass auch das Mobiltelefon der Bundeskanzlerin durch US-amerikanische Geheimdienste abgehört wurde, belegt, wie absurd der politische Versuch war, die Debatte über die Überwachung alltäglicher Kommunikation hierzulande für beendet zu erklären“, sagte Schaar der Mittelbayerischen Zeitung. „Angesichts der neuen Enthüllungen war es geradezu verantwortungslos, die Aufklärung nicht entschiedener vorangetrieben zu haben.“ Spätestens jetzt müssten alle Fakten auf den Tisch.

Die Nachricht ließ die Amerikaner indes kalt, das Weiße Haus reagierte cool. Zwar berichten Elitezeitungen wie die New York Times und die Washington Post über den atemberaubenden Verdacht. Doch die Topnews in den TV-Nachrichten ist das nicht - viel wichtiger ist das Gezerre um die Gesundheitsreform.

Die Reaktion ist nicht untypisch für die lässige Haltung der USA zu den Abgehörskandalen des Geheimdienstes NSA. Seitdem der Whistleblower Edward Snowden im Sommer die Lawine ins Rollen brachte, versuchen Barack Obama und die Regierung die Sache beharrlich runterzuspielen.

Auch am Mittwoch ließ sich das Weiße Haus durch die Vorwürfe aus Berlin nicht durcheinanderbringen. Gerade mal ein gutes Dutzend Zeilen umfasst das Statement, mit dem die US-Regierung auf Merkels persönliche Beschwerde reagierte.

„Der Präsident versicherte der Kanzlerin, dass die Vereinigten Staaten die Kommunikation von Kanzlerin Merkel nicht überwachen und nicht überwachen werden“, suchte Obama die Kanzlerin laut offizieller Mitteilung zu beruhigen. Zeitgleich ging auch Obamas Sprecher Jay Carney mit dem gleichen Wortlaut vor die Presse:

Gegenwart und Zukunft

Kaum ein Zufall: Penibel abgestimmt, beinahe wortgleich sind die Formulierungen. Es geht um Gegenwart und Zukunft. „Das Statement spricht nicht an, ob diese Kommunikation in der Vergangenheit abgefangen wurde", schreibt die New York Times. Was passierte wirklich in der Vergangenheit, hatten die US-Schnüffler Merkel im Visier?

Auch auf ausdrückliches Nachfragen, was früher geschehen sei, hielt sich Washington bedeckt. Über das Gesagte hinaus könne man zu spezifische Vorwürfen nichts mitteilen, sagte eine Sprecherin des nationalen Sicherheitsrates.

Die USA scheinen schlichtweg keinen besonderen Drang zu haben, die Deutschen und Europäer über all ihr Tun in Sachen Schnüffeln und Abhören aufzuklären. „Jedes Land, das sich international mit Fragen der nationalen Sicherheit befasst, unternimmt jede Menge Aktivitäten, um seine nationale Sicherheit zu schützen, und dazu gehört (das Sammeln) von allen möglichen Informationen“, sagte Außenminister John Kerry bereits im Sommer. Im Klartext: Ausspähen und Abhören - das machen doch alle.

Auch Obama äußerte sich im Sommer, kurz nachdem der Verdacht laut wurde, dass auch Kommunikation von EU-Diplomaten überwacht wurde, eher lakonisch: Schließlich müssten Geheimdienste mehr rauskriegen, als man in der New York Times lesen könne.

70 Millionen abgehörte Gespräche in 30 Tagen

Bei seinem Berlin-Besuch im Juni ging er noch einen Schritt weiter und begründete, warum die Geheimdienstler an Deutschland durchaus Interesse haben: Schließlich hätten einige der Attentäter vom 11. September 2011 zuvor zeitweise in Hamburg gelebt.

Doch in jüngster Zeit verstärkt sich der Druck auf die USA. Der französische Präsident François Hollande protestierte etwa lautstark, nachdem die Zeitung Le Monde massive Schnüffeleien an den Tag brachte. Allein in 30 Tagen habe die NSA in Frankreich über 70 Millionen Telefongespräche abgefangen.

Mexiko ist ebenfalls über US-Praktiken empört, Innenminister Miguel Ángel Osorio Chong kündigte eine Untersuchungen an. Was Washington bisher als Erklärungen vorgebracht habe, sei völlig inakzeptabel, ließ die Regierung wütend verlauten. Man werde den US-Botschafter nochmals zu Gesprächen einbestellen. Der Vorwurf lautet, US-Geheimdienstler seien vor drei Jahren in die Mail-Konten des damaligen Präsidenten Felipe Calderón eingedrungen.

Einen echten diplomatischen Affront gegen Washington erlaubte sich Brasilien. Die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff sagte aus Ärger über die Abhörprogramme einen für Oktober geplanten Staatsbesuch ab, der in Washington als äußerst wichtig angesehen wurde. Grund der Verschiebung: Mangelnde Aufklärung über die angebliche Ausspionierung von E-Mails und Telefonaten der Präsidentin.

Allerdings, es gibt auch andere Stimmen. Eher entspannt sieht das Mexikos Ex-Präsident Vicente Fox. „Wir werden jeden Tag bespitzelt, alle Bürger, überall auf der Welt“, meinte Fox, der als ganz enger Freund der Amerikaner gilt. Er verstehe die ganze Aufregung nicht.

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21 Kommentare

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  • Ne. Also jetzt ist Schluss!

     

    Jetzt die NSA abhören, dann erfahren wir endlich was CDU und SPD Spitzen über uns reden und was die im Busch haben!

  • K
    Kreuzbergrin

    I am very amused...

    Warum soll das Handy von Frau Merkel NICHT abgehört werden? Ich wüsste auch gerne, was sie da so twittert und postet und telefoniert usw und so fort - besonders während der Bundestagsdebatten... Das kommt davon, wenn man den Normalos gegenüber die Haltung an den Tag legt : Hannemann, geh du voran ...bzw. Das Internet ist für uns alle Neuland... Ach, Leute : als Kabarettnummer hätte diese Schote niemand so richtig geglaubt ...

  • F
    finsternis

    naja, die amis sind halt noch beim alten europa, da war cryptohandy noch fdj-sekretärin! als priester-/pfarrerstochter. im umfeld von havemann und konsorten. wo sind eigentlich die damals noch frischen stasispitzenleute geblieben?

  • C
    Califax

    Aber, aber - warum denn immer gleich so mißtrauisch. Bestimmt ist alles halb so schlimm und nur gut gemeit. Für unser aller Sicherheit sozusagen. Außerdem hat sich Hr. Friedrich doch bereits im Frühjahr vor Ort umgesehen. Wenn trotzdem noch Zweifel bleiben, einfach mal den Hr. Pofalla fragen ...

  • Wenn Angela Merkel von der NSA abgehört wird, dann wird auch Barack Obama von der NSA abgehört, der mit seiner Gesundheitspolitik und überhaupt mit seiner demokratischen Politik die Sicherheit und Freiheit der USA bedroht. Das behaupten jedenfalls seine Gegner bei den Reps und vor allem aus der Tea-Party.

  • Da kann ich nur lachen.

    Die letzten Monate im Neuland-Modus verharrt und nun - wenn SIE persönlich betroffen ist - die "Empörte" geben.

     

    Typisch!

  • KS
    Kritische Stimme

    Sein neuer Name in US lautet jetzt George W. Obama. President der VS Barack Obama der Nobel-Friedenspreis-President.Der Korruptions-Spitzel-President der woechentlich die Killerlists unterzeichnet von Personen die mit Dronen ermordet werden sollen.Unter seiner Regie ist weltweit liquidiert+gefoltert und wird geweigert den Foltertempel Guantanamo Bay zu schliessen.Obama hat den AfganistanKrieg eskaliert, hat 2 neue Kriege angezettelt, Lybien + Syrien und geht in die Geschichte ALS Kriegspresident. Natuerlich konnte ein Nobel-Friedenspreis-Komitee damals nicht uebersehen was noch alles geschehen koennte,deshalb war es schon eine Dummheit jemand im Anfang seiner Karriere einen Friedenspreis zu erteilen. Aber wann kommt die Korrektur und wird der Nobel-Friedenspreis zurueckgefordert von einer Person die spottet mit dem Nobel-Institut in Oslo??Wenn die schon laengst ueberfaellige Korrektur noch lange ausbleibt koennte das bedeuten das der Nobel-Friedenspreis kaeuflich ist

  • E
    Eremit

    Also:

    1. Die USA hören nur im Rahmen von Anti-Terror-Maßnahmen ab

    2. Angela Merkel wurde abgehört

     

    Daraus folgt: Merkel ist eine Terrorverdächtige.

    Und da sich die USA nicht irren können, ist es dringed notwendig, Ermittlungen gegen die Bundeskanzlerin einzuleiten.

     

    Wer nix zu verbergen hat...

  • Untersuchungsausschuss jetzt - aber ohne Opposition?

     

    Wir müssen die NSA-Geschichte auch mal langsam als ein Skandal der deutschen Regierungspolitik und deutscher Behörden begreifen. Eigentlich müsste ein Untersuchungsausschuss her der aufklärt, wer aus der Regierung wann was gewusst hat. Wer hat eigentlich mehr gelogen - Pofalla oder Friedrich? Das sind Fragen, die auf deutscher Seite auch geklärt gehören.

     

    Aber ohne Opposition, die nicht mal einen U-Ausschuss einberufen kann? Nun wird zum ersten Mal deutlich, in wie weit das letzte Wahlergebnis dazu genutzt werden kann, notwendige demokratische Basis-Prozesse auszuhebeln.

     

    Freuen wir uns also auf vier Jahre mit 'Merkels Farm':

     

    http://wagnisdemokratie.wordpress.com/2013/10/24/willkommen-auf-merkels-farm/

  • I
    Ilsebilse

    Woher hat Merkel die Information über ihr Handy wohl erhalten. Es ist anzunehmen, dass sie von ihrem Freund Putin aus dem Kreml stammt, der die Snowdenpapiere ausgewertet hat und sich nun freut wie ein Schneekönig, das er Obama eine Schelle verabreichen kann.

  • N
    neundzehnvierundachtzig

    Na das ist ja mal eine Begründung, Merkels Handy abzuhören: "Schließlich hätten einige der Attentäter vom 11. September 2011 zuvor zeitweise in Hamburg gelebt." Soviel zu den Schlaumeiersprüchen wie:

    1.) wer nichts zu verbergen hat, braucht sich vor Überwachung nicht zu fürchten; immerhin wohnt Frau Merkel in Deutschland, Hamburg liegt, das beweist ein kurzer Blick in die Landkarte, in Deutschland, damit ist auch schon die Verbindungslinie klar.

    2.) jeder ist selbst schuld, wenn er seine Kommunikation nicht ausreichend sicher verschlüsselt. Wie war das mit Merkels "abhörsicherem Handy", eine Spezialanfertigung für die Bundeskanzlerin?

    Man sollte schon mal nach günstigen Flügen für Herrn Pofalla suchen, den der müsste ja eigentlich politischer Logik folgend, demnächst in der Wüste landen, Stichwort "Die Überwachungsaffäre ist aufgeklärt".

    By the way: um zu kommentieren muss ich bei meinem Ad-blocker auf der taz-Seite "e-tracker" akzeptieren....

    • Statler , Moderator
      @neundzehnvierundachtzig:

      Man muss taz-Cookies akzeptieren, aber nicht explizit e-tracker. Verstehe nicht, wie Sie darauf kommen.

      Falls es noch Fragen gibt, schreiben Sie uns gern an: kommune@taz.de

    • @neundzehnvierundachtzig:

      ich nicht!

  • B
    Beobachter

    Sollte sich das bestätigen, sind klare Signale an die USA angebracht.

     

    Mein Vorschlag: Botschafter ausweisen und Freihandelsabkommen für die nächsten Jahre aussetzen.

    • @Beobachter:

      Leider wird Frau Merkel den wirtschaftl. Befindlickeiten der USA und heimischen Profiteuren eher folgen, als Ihren patriotischen Vorschlägen.

  • Ich empfehle Frau Merkel den Rücktritt. Das hat Willy Brandt zu seiner Zeit auch so gemacht. Bitte, liebe NSA, veröffentliche doch die Gespräche der Kanzlerin ! Es würde sicher hoch interessant sein. NSA als Whistlblower wäre doch mal was ganz neues.

    • DW
      Das wars
      @lions:

      Das macht Putin demnächst.

      Merkel ist jetzt erpressbar, zusätzlich zu den bekannten Mängeln.

      Sie muß zurücktreten.

  • F
    from

    Was soll uns den schon passieren? Guttenberg hat seinen Zweitwohnsitz in den USA und auch unser Goldjunge Gottschalk odder Klinsmann leben überwiegend dort. Ist doch alles halbsoschlimm liebe Medien!

  • P
    Peter

    Die USA begründen ihren Schnüffelwahn ja mit der Abwehr der Terrorgefahr. Interessant, daß sie auch unsere Kanzlerin als potentielle Terroristin sehen. Das sagt viel über das paranoide Weltbild dieses Landes aus.

    Hoffentlich ist diese Affäre nun endlich auch mal ein Weckruf für unsere bislang so behäbigen Politiker, die sich am "großen Bruder" nicht die Finger verbrennen wollten. Und wäre es nun nicht auch an der Zeit, den großen Verharmloser Pofalla vor die Tür zu setzen?

    • I
      ironimus
      @Peter:

      Ach Peter , ... der Ronald gehört doch zum exklusiven Küchenkabinett unserer Größten Kanzlerin aller Zeiten !