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Überwachung beendenEin Netz, zwei Netze, viele Netze

Überall Ausspähung. Kann man der NSA wirklich nicht entfliehen? Doch, es gäbe Möglichkeiten. Es ist eine Frage der Macht, ob sie umgesetzt werden.

Einmal neu verkabeln, bitte. Bild: deyangeorgiev / photocase.com

Hauptsache, es schummert schon mal schön. Ein blauer Leuchtstreifen zieht sich durch den abgedunkelten runden Raum, ein paar pinkfarbene Illuminationen darin, Farbton Telekom. Es soll wohl alles ein bisschen nach Ufo aussehen. Oder zumindest nach Future.

Willkommen beim Cyber Security Summit der Deutschen Telekom. Es ist Ende 2013, kurz bevor der Vorstandsvorsitzende des Konzerns aus dem Amt scheiden wird. Und so wie René Obermann da vorne am Mikrofon steht, muss man schon meinen, die Telekom sei die neue Spitze der deutschen Bürgerrechtsbewegung. Der Mann scheint so betroffen, es fehlen nur noch die Tränen.

Eine kleine Szene, aber sie zeigt: Nicht nur eine Horde Datenschützer und Bürgerrechtler, sondern der Kern der deutschen Wirtschaft ist durch die Enthüllungen über die massenhafte Datenspionage der NSA verunsichert. Und nun schreien die einen nach Lösungen, die anderen wittern Geschäfte. Die Telekom etwa wirbt seit Monaten für die Idee eines nationalen oder zumindest europäischen Routings: „Warum“, fragt man im Unternehmen, „soll eine Mail von Deutschland nach Deutschland ohne Not durch die USA geleitet werden?“ Schon hat es das Anliegen in den Koalitionsvertrag geschafft.

taz am Wochenende

Daniel Suarez hat in seinen Science-Fiction-Romanen prophezeit, was heute alle wissen: Die Überwachung im Netz ist total. Der Autor und Hacker hat sich ein neues Internet ausgedacht. Wie das aussieht, erklärt er im Interview in der taz.am wochenende vom 18./19. Januar 2014 . Darin außerdem: Eine Hommage an den 100. Geburtstag von Arno Schmidt, eine Geschichte von einem traumatisierten Soldaten, der gegen die Geister des Krieges kämpft und eine Reportage über die Tram Linie 1 in Jerusalem, die die gespaltene Stadt dennoch verbindet. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Auch wenn die Idee, Daten mit Sender und Empfänger in Deutschland ausschließlich über das Inland zu routen, zwar ziemlich aufwendig, aber technisch machbar ist – wenn sie wollte, könnte die Telekom das Prinzip schon heute umsetzen. Ganz ohne Gesetz. Dass sie es nicht tut, sagt einiges über die Machtstrukturen im Netz.

Ist es also nicht an der Zeit, über ein Netz nachzudenken, das wirklich in den Händen der Nutzer liegt – wie es Science-Fiction-Autor Daniel Suarez vorschlägt?

Internet 4.0

„Theoretisch und technisch ist es möglich, eine Art Internet 4.0 zu entwickeln und von Anfang an auf Privatsphäre zu setzen“, sagt der Informatiker Werner Hülsmann vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. Es würde ein paar Jahre dauern, aber das wäre sicher nicht das Problem. Vielmehr sei es eine Frage der Macht. Denn um global neue Standards zu entwickeln, sagt Hülsmann, bräuchte es Entwicklungsprozesse, in die sich vorwiegend Unternehmen einbringen würden.

Initiativen und NGOs fehle meist das Geld für intensives Lobbying. Und welche globalen Unternehmen – von Google bis Amazon – sollten ein Interesse daran haben, wirkungsvolle Mechanismen zum Schutz der Privatsphäre zu etablieren? Anonyme Netze, selbstbestimmte Nutzer, das klingt nach einer emanzipativen Idee – aber nicht nach dem Geschäftsmodell einer Wirtschaft, in der Daten Wert bedeuten.

Vielleicht also dezentraler, lokal, ein bisschen so wie im Energiesektor. Da ist es in der Politik zumindest teilweise angekommen, dass es klüger ist, vor Ort vernetzt zu sein statt auf ein paar Giganten zu vertrauen. Wie es etwa die Freifunk-Bewegung tut: Jeder, der mitmachen will, stellt sich einen Router in die Wohnung. Die verbinden sich und bilden ein eigenes Netzwerk.

Der Vorteil: Dezentrale Strukturen sind weitaus schwieriger zu kontrollieren als zentrale Strukturen. Das gilt auch für die sogenannten Peering Points: Orte, an denen etwa eine E-Mail von einem Provider zum anderen übergeben wird. Momentan passiert das für Deutschland vor allem an einem großen Knotenpunkt in Frankfurt. Nach Angaben des Betreibers übergeben hier mehr als 580 Anbieter ihre Daten. Wer Daten fischen will, weiß also ganz genau, wo er hin muss. Mit vielen kleinen Übergabestellen könnte sich das ändern. Der Aufwand für eine Überwachung wäre immer noch hoch, aber die Ausbeute viel geringer, weil nicht mehr so viele Daten an einem Ort zusammenlaufen.

Steigende Zentralisierung

Wäre das nicht eine schöne Vision? Freifunk-Netze für alle – ohne lästige Datenkraken in der Mitte. Reiner Gutowski ist Freifunker im Rheinland. Er warnt trotzdem davor, dezentrale Strukturen als Allheilmittel zu sehen: „Die Überwacher, über die wir reden, haben genug Geld, um auch hier mitzulesen.“ Schwieriger werde das erst, wenn die einzelnen kleinen Netzwerke komplett vom Internet abgekoppelt seien. „Dann müsste man schon in zehn Meter Entfernung der Funksignale stehen, um an die Daten zu kommen“, sagt Gutowski. Nun muss das lokale Netzwerk noch Alternativen bieten, damit die Nutzer nicht immer gleich das Internet brauchen.

Gerade auf der Seite der Onlinedienste wird die Zentralisierung nämlich stärker. Suchmaschine? Google. Netzwerk? Facebook. Videos? Youtube – das ja auch schon eine ganze Weile zu Google gehört. Verbraucherschützer sprechen sogar schon von „Monopolbildung“.

Der Ansatz vom Freifunk Rheinland: „Wir wollen durch lokale Angebote wie ein soziales Netzwerk, einen Chat oder Tauschbörsen unser Netz attraktiver machen.“ Zugegeben, das Ganze hat auch einen entscheidenden Nachteil: Der Zugriff auf Internetdienste fällt dann natürlich weg. Chatten – geht nur innerhalb des Netzes. Und Einkaufen nur bei Leuten, die im lokalen Netz ihre Waren anbieten.

Es gibt noch einen Ansatz, nicht ganz so groß wie ein neues Internet, nicht ganz so lokal wie der Freifunk. Er beginnt bei den Netzbetreibern, etwa der Backbones, also der Hauptverbindungen im Internet. Momentan mischen da auch US-Unternehmen mit, wie Level 3. US-Unternehmen unterliegen US-Recht. Was, wenn das US-Recht vorsieht, dass bestimmte Daten weitergegeben werden?

Vielleicht wären also kommunale Betreiber eine Idee. „Es käme darauf an, dass solche kommunalen Netzbetreiber demokratischer Kontrolle unterworfen sind“, sagt der Informatiker Hülsmann, „zum Beispiel als Genossenschaft.“ Damit wäre eine Machtstruktur gebrochen. Ein Umdenken, etwa hin zu einem dezentraleren Austausch von Daten mit anderen Anbietern wäre leichter durchzusetzen. Aber auch hier wären Nutzer nicht ganz vor Überwachung sicher. Schließlich könnte der eigene Staat immer noch mithören. Und die Daten auch international verbreiten.

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9 Kommentare

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  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    "Überwachung beenden"

     

    - und dann, ES GIBT KEIN RICHTIGES LEBEN IM FALSCHEN, wo systemrational-gepflegte Bewußtseinsschwäche in Angst, Gewalt und "Individualbewußtsein" spaltet, konfusioniert und verblödet!!!

     

    Wann wird euch die einzig wahre / die einzig menschenwürdige Ideologie zur Entfaltung der Möglichkeiten, des Geistes der uns alle im SELBEN Maß durchströmt und ..., endlich zu Verstand von wirklich-wahrhaftiger Vernunft bringen?!

  • "Initiativen und NGOs fehle meist das Geld für intensives Lobbying" Das ist zwar nicht das Kernproblem, aber eines davon. Es gibt bereits eine gehörige Menge an dezentralen Projekten/Initiativen, nur kennt die leider kaum einer.

    Beispiel Social Network: Hier ist die dezentrale "Szene" hochaktiv und wächst stetig. Zur Zeit findet sogar endlich ein langsamer aber steter Wechsel vom Nerd-/Geek-Netz zum allgemeinen Netzwerk statt. Das hat einerseits mit dem wachsenden Bewußtsein der Facebook Nutzer zu tun, dass sie eigentlich nur Werbeware sind, aber auch mit dem steigenden Bedürfnis vieler netzaffinen Menschen sich unabhängiger zu machen. Die besten Beispiele sind hier: [1]Friendica (absolut solide und tolle Community), Diaspora und StatusNet. Sowie relativ neu: die [2]RedMatrix (in offener Entwicklerphase, aber schon extrem zuverlässig benutzbar, sehr hoher Privacy-Anspruch). Die drei ersten Beispiele gehören zum "föderierten" Netzwerk, d.h. die Kommunikation findet plattformübergreifend statt, es spielt keine Rolle wo jemand angemeldet ist, die Beiträg werden bei Bedarf auch in die Streams der "Freunde" in den anderen Netzwerken übertragen. Die RedMatrix wiederum besitzt Schnittstellen (Konnektoren) um in das föderierte Netzwerk Beiträge absetzen zu können. Die alte Hürde, speziell bei Friendica, einen eigenen Server zu managen, hat sich mittlerweile stark aufgeweicht. Die "Host your friends"-Mentalität wird immer stärker, es gibt sogar schon die ersten Schritte zu kommunalen [3]Servern. Die dezentrale/föderierte Vernetzung ist die Hoffnung für ein freies Internet, am besten fängt man damit bei sich selbst an, also im sozialen Netzwerk.

    Wer sich für die genannten Beispiele interessiert:

    [1] http://friendica.com / https://tryfriendica.de / http://friendica-wiki.de

    [2] https://redmatrix.me / http://getzot.de

    [3] https://snarl.de/

  • D
    didodeldü

    Das reicht aber nicht.

    Soloange Hardware aus China und Software aus den USA kommen ist die Spionage via Datenverkehrsüberwachung nur um vieles einfacher als das Anzapfen jedes einzelnen Rechners - mehr nicht.

     

    Wie die Chancen auf eine nationale Chipproduktion stehen, hat man am grandiosen Scheitern von Infinion gesehen: ohne Subventionen nicht konkurrenzfähig. Aber da ist die EU ja gnadenlos.

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Nur noch über das Inland routen. Dann hört wenigstens nur noch der BND mit.

    • W
      wolferl
      @774 (Profil gelöscht):

      ... der dann die Daten an GCHQ/ NSA etc. weitergibt :(

       

      Das Problem muss daher anders gelöst werden.

      • 7G
        774 (Profil gelöscht)
        @wolferl:

        War auch ehrlich gesagt, ironisch gemeint.

  • Dezentral klingt erstmal gut und ist auch sicher die Lösung für viele Probleme. Allerdings darf man nicht vergessen, dass radikal dezentrale Systeme auch anfällig sind. Immerhin bedeutet das, dass Autorität eine Mehrheitsentscheidung wird und Angreifer mit genügend Mitteln können das System einfach übernehmen. Bestes Beispiel ist das Bitcoinnetz, ein Paradebeispiel für Dezentralisierung. Wen es jemand schafft, 50% der Rechenleistung auf sich zu vereinen, dem gehört das Netz. Schwupps, Währung für die Tonne.

    • H
      Hashimoto
      @Christian:

      Dezentralisierung ist bei Bitcoin nur ein Nebenaspekt. Es geht und ging nur darum, dass einige reich werden – wozu sie nützliche Idioten brauch(t)en, die sich zu diesem Zweck einspannen lassen. Gibt es auch nur den kleinsten Hinweis darauf, dass der pseudonyme Erfinder der Bitcoins NICHT am Anfang eine solche Menge Münzen für sich zurückgelegt hat, dass er auf jeden Fall ausgesorgt hat?

    • @Christian:

      Auch mit 50% der Rechenleistung kann man die Blcokchain mit Glück vielleicht um 2-5 Blöcke vorrechnen und fälschen, wenn man nach Transaktionen also mit der Verifizierung lange genug wartet sind auch 50% der Rechenpower im Bitcoin Netz kein Problem.