Übers Schenken im kolonialen Kontext: Ein wunder Punkt
Barazani.Box 5 ist ein Projekt des Bündnisses Decolonize Berlin. Es befasst sich mit den Kämpfen um Rückgaben von Kunst aus deutscher Kolonialzeit.

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), die Abertausende Objekte aus Ländern besitzt, die einst als Kolonien unter europäischer Kontrolle standen, hat die Frage lange nicht hören wollen. Aus ihrer Sicht verständlich, müsste sie ja sonst zugeben, dass nicht nur offenkundig geraubte Objekte wie die Benin-Bronzen illegitimer Besitz sind und zurückgegeben gehören. Sondern womöglich sehr viel mehr – zumindest, wenn man den Gedanken ernst nimmt, dass Geschenke ebenso wie Kauf- und Tauschbeziehungen auf Freiwilligkeit und Gleichberechtigung beruhen müssen.
Auf diesem wunden Punkt reitet die virtuelle Ausstellung „Barazani.Box 5“ anlässlich der Eröffnung der Ethnologischen Sammlungen erneut herum. Im allerneusten Kapitel von Barazani.Berlin, dem künstlerischen Onlineprojekt des Bündnisses Decolonize Berlin, befassen sich die Humboldt-KritikerInnen anhand von vier Beispielen mit teils jahrzehntelangen Kämpfen um Rückgaben – und mit den Argumenten der SPK, die ihren „Kulturbesitz“ verteidigen will.
Etwa den Thron Mandu Yenu aus Kamerun, der schon im alten Ethnologischen Museum in Dahlem ein „Prunkstück“ der Ausstellung war (hier ein Bild des Throns in einem taz-Online-Beitrag). Offiziell hieß es immer, er sei ein „Geschenk von König Njoya von Bamum an den deutschen Kaiser Wilhelm II“. Doch was heißt Schenken im kolonialen Kontext?
Der Thron in Kopie
Die Antwort der Ausstellungsmacher ist klar: Von einem „Geschenk“ im freien Sinne kann keine Rede sein. Als Beleg dient unter anderem ein Foto von 1912, das Njoya auf seinem Thron zeigt, beziehungsweise einer Kopie davon – das Original war ja seit 1908 in Berlin. Rechts von ihm, einen Fuß lässig-frech auf den Thron gestellt, sitzt Kolonialkaufmann Rudolf Oldenburg, der mit dieser Haltung zeige, wie es um die wahren „Machtverhältnisse im kolonisierten Kamerun wirklich stand“, so der Ausstellungstext.
Die thematisiert auch „Le throne“, ein 45-minütiger Film von 2019, in dem zahlreiche Stimmen aus dem heutigen Kamerun zu Wort kommen. Tenor: Selbst wenn der Thron formal ein „Geschenk“ gewesen sein mag, gehört er zurückgebracht.
Dass es mit dem Schenken nicht so leicht ist, hat die SPK inzwischen auch erkannt. Im neuen Begleitheft zur Provinienzforschung heißt es über Njoya: „Wurde er unter Druck gesetzt? Wollte er vermeiden, Gesicht und Respekt zu verlieren? Die Gabe des Königs wirft Fragen auf, mit denen wir uns heute noch beschäftigen.“
Den KritikerInnen ist das nicht genug. Es reiche nicht, „ein paar Rahmenprogramme zum Thema Dekolonisierung anzubieten und endlose Provinienzforschung zu betreiben“, so die Kurator*innen von Barazani.Box 5 zur taz. „An vielen Objekten klebt das Blut kolonialer Gewalt, viele Objekte haben eine einzigartige spirituelle Bedeutung für die Gesellschaften, denen sie gehören, und ihre Abwesenheit hinterlässt Schmerz und Traumata.“ Folgerichtig werden sie am Mittwoch vor dem Schloss für ihre Rückgabe demonstrieren.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
Bildungsforscher über Zukunft der Kinder
„Bitte nicht länger ignorieren“
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung