Überleben im Herzen Schleswig-Holsteins: Die A7 in der Blutbahn
Das Meer ist das Urlaubziel der Reisenden. Ins Niemandsland an der Autobahn will kaum jemand. Dabei ist es da gar nicht schlimm. Oder doch?
Und doch, bei vielen klingelt es, wenn sie den Ortsnamen hören, und einige wissen auch, warum. „Eine Autobahnabfahrt, oder?“, sagen die Dänemark- und Syltreisenden, andere kennen den Shoppingpark Dodenhof oder das Spaßbad Holstentherme. Und wer sich für Privatbahnen interessiert, weiß, dass AKN der Name der Vorortbahn ist, die ursprünglich mal Altona, Kaltenkirchen und Neumünster verbunden hat. Kaltenkirchen hat drei Haltestellen; das Spaßbad und eine Großraumdisco bekamen je eine eigene.
Das Städtchen, von Bewohner:innen auch zärtlich Kaki genannt, ist enorm erfolgreich im Anwerben von Dienstleistungsunternehmen: 32 Jahre nach Schließung der KZ-Außenstelle machte Ikea für knappe zehn Jahre Station, als eins der ersten Häuser in Deutschland. Das alles liegt vor allem an der Nähe zur Autobahn. Bis ins City Center von Kaltenkirchen sind es keine zwei Kilometer. Das Rauschen der A 7 ist der Sound meiner Kindheit und Jugend, sie fließt durch meine Blutbahn.
In diesem Artikel könnte es aber auch um Neumünster gehen oder irgendeinen der anderen Orte in der Mitte des nördlichsten Bundeslands, also um alle, die sich so weit weg von den Küsten oder der Holsteinischen Schweiz mit ihren Hügeln und Seen befinden, dass das Stadtmarketing ihre Lage als „im Herzen Schleswig-Holsteins“ beschreibt. Wobei das Herz hier im Verdauungstrakt liegt.
Das heißt nichts anderes als: Sie wollen überall Urlaub machen, aber ganz bestimmt nicht hier. Gut, das denken viele auch über die Nordseeküste. Sandstrände hat diese fast nur auf den Inseln (Ausnahme, Achtung: Pellworm), und das, was Theodor Storm über seine Heimatstadt Husum dichtete, gilt für die gesamte Nordseeküste. „Am grauen Strand, am grauen Meer / Und seitab liegt die Stadt“ ist eine zurückhaltende Umschreibung des Sprichworts: „Hier möchte man nicht tot über’m Gartenzaun hängen.“ Aber immerhin: das Meer.
150 Kilometer der A 7 verlaufen durch Schleswig-Holstein
Doch nicht einmal das gibt es im Niemandsland entlang und westlich der A 7, der längsten Autobahn Deutschlands, die auf 150 Kilometern Schleswig-Holstein in der Längsachse durchquert, parallel zum historischen Ochsenweg, auf dem unter anderem Vieh von Dänemark in die schleswig-holsteinischen Marschweiden getrieben wurde. Eine nennenswerte Querverbindung existiert nicht, was auch daran liegt, dass Schleswig-Holstein so schmal ist wie ein Reihenhausgarten. Und wer aus der Traufe Bordesholm kommt, will ganz bestimmt nicht nach Heide in den Regen.
Mit Ausnahme der Grünen und der Linken glauben aber alle Parteien, dass Schleswig-Holstein unbedingt mehr Autobahnkilometer braucht. Deshalb wird seit 1998 an der westlichen Fortsetzung der A 20 gebaut. In einem großen Bogen um Hamburg herum soll die sogenannte Küstenautobahn Polen mit den Niederlanden verbinden, aber seit 2013 ist der Bau kurz vor Bad Segeberg gestoppt. Fledermäuse.
Und wenn ich an die A 20 denke, dann werde ich doch ganz schön gallig, weil die mitten durchs Schmalfelder Moor gebaut werden soll, ins Kaltenkirchener Hinterland. Dort ist es trotz des Autobahnrauschens eigentlich ganz reizvoll, und das nicht nur wegen der „Jugend Zauber“, wie sich Storm Husum schönredete. Und wenn man mal was anderes sehen will, ist da ja zum Glück die A 7. Die ist Teil der Europastraße 45 und verbindet das norwegische Alta nördlich des Polarkreises mit Gela an der Südküste Siziliens. Und Kaki mittenmang.
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