: Überfall auf Bus
Radikale Islamisten in Algerien führen nach dem Tod ihres Chefs wieder vermehrt Anschläge durch. 107 Tote im Juni
MADRID taz ■ Die Welle der Gewalt rückt erneut auf Algeriens Hauptstadt vor. Am Freitagabend gegen 21 Uhr stoppte eine Gruppe bewaffneter Männer in Eucalyptus, einem Vorort Algiers in der Nähe des Flughafens, einen Minibus und eröffnete das Feuer auf die 20 Fahrgäste. Insgesamt wurden 13 Menschen getötet und 9 zum Teil schwer verletzt. Unter den Opfern waren zahlreiche Jugendliche, die vom Baden am Strand zurückkamen.
Der Ort des Überfalls war genau ausgesucht. Die Bewaffneten warteten in unmittelbarer Nähe einer Autobahneinfahrt zwischen verlassenen Landhäusern. „Ich habe mich tot gestellt, bis sie wieder weg waren“, erklärte einer der Überlebenden gegenüber der größten algerischen Tageszeitung Liberté. Er will insgesamt sieben oder acht Männer mittleren Alters gesehen haben. Alle seien mit Kalaschnikows bewaffnet gewesen.
Seit Frühjahr häufen sich die Anschläge in Algier und Umgebung. Erst vor wenigen Tagen hat ein Kommando in Zeralda, einem Badeort vor den Toren Algiers, das Feuer auf eine Gruppe Fußball spielender Jugendlicher eröffnet. Sieben verloren dabei ihr Leben.
In den vergangenen Monaten kam es selbst im Stadtzentrum immer wieder zu bewaffneten Aktionen. So wurden mehrere Polizisten auf offener Straße erschossen und eine Paketbombe explodierte auf dem belebtesten Platz direkt vor der Hauptpost.
Im Juni wurden insgesamt 107 Menschen bei Anschlägen radikaler Islamisten getötet. Seit Jahresbeginn zählt die algerische Presse 730 Tote. Die meisten Anschläge rund um Algier gehen vermutlich auf das Konto der Bewaffneten Islamischen Gruppen (GIA), deren Führer Hassan Hattab im Februar bei einer Razzia erschossen wurde. Sein Nachfolger Rachi Abou Tourab kündigte in einem Kommuniqué an, den Kampf gegen die „Ungläubigen“ weiterzuführen. Darunter fallen neben den Sicherheitskräften auch die Menschen, die den radikalen Ideen der bewaffneten Islamisten nicht folgen wollen. „Kein Friede, kein Dialog, keine Aussöhnung, keine Sicherheit, sondern Blut, Blut, Zerstörung, Zerstörung“, heißt es in dem Schreiben, mit dem sich Abos Tourab öffentlich vorstellte.
Die GIA und die Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf sind die beiden einzigen bewaffneten Organisationen, die auch nach der von Präsident Abdelasis Bouteflika vor drei Jahren begonnenen Aussöhnungspolitik die Waffen nicht niedergelegt haben. Laut offiziellen Angaben sind von einst 27.000 Untergrundkämpfern noch 700 aktiv.
REINER WANDLER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen