Überfall auf Bürgermeister von Lalendorf: Fünf Neonazis freigesprochen
Dass Neonazis an dem Tag auf dem Grundstück von Reinhard Knaack waren, ist unbestritten. Doch den Männern die vor Gericht landeten, konnte nichts nachgewiesen werden.
HAMBURG taz | Das Amtsgericht Güstrow hat am Montag fünf Neonazis des Hausfriedensbruches freigesprochen, unter ihnen der NPD-Abgeordnete Tino Streif. Vor gut zwei Jahren hatten über zehn Neonazis den Bürgermeister Reinhard Knaack (Linke) in Lalendorf in Mecklenburg-Vorpommern auf seinem Grundstück bedroht. Das konnte den fünf Männern vor Gericht aber nicht nachgewiesen werden.
Das Gericht konnte bei allen Angeklagten neben Streif, Jörn S., Sven B. Daniel I und Christopher L. keine „Täterschaft, Mittäterschaft oder Beihilfe“ erkennen, erklärt Anna Marie Düvel, Direktoren des Amtsgerichts in Mecklenburg-Vorpommern. Im Saal 105 war die Stimmung unter den mitgekommenen Kameraden wie den NPD-Landtagsabgeordneten und NPD-Landesvize David Petereit bestens. Er selbst war vor Ort, sagte als Zeuge aus. Vor wenigen Tagen musste er schon als Zeuge bei den NSU-Ermittlungen aussagen.
Im Saal war unstrittig, dass Neonazis auf dem Grundstück von Knaack waren. Doch wer am 2. Advent 2010, von den über zehn Neonazis am späten Nachmittag auf das Grundstück gedrungen war, oder sich bloß am Grundstücksrand befand, konnte nicht nachvollzogen werden. Der Anlass ihrer Aktion: Der ehrenamtliche Kommunalpolitiker hatte sich geweigert, einer rechten Familie die Patenschaft des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff für ihr siebtes Kind zu überreichen.
Auf der Szenewebsite „Mupinfo“, die Petereit verantwortet, war vorher über den Bürgermeister gehetzt und dessen Adresse veröffentlich worden. An dem Tag, es war der 5. Dezember, hatten die Neonazis in der kleinen Gemeinde eine Hetzschrift gegen den Bürgermeister verteilt, bevor sie ihn zu einer „Stellungnahme“ aufsuchen wollten.
Angriff auf die Polizei
Von der Hetzschrift hatte Knaack zum Glück schnell mitbekommen und sofort die Polizei angerufen. Die Achtsamkeit dürfte Schlimmeres gegen den Kommunalpolitiker verhindert haben. Als die Polizei eintraf wurde sie bei dem Versuch, die Personalien der Rechten festzustellen, angegriffen. Die Beamten mussten Pfefferspray einsetzen, sagte damals ein Polizeipressesprecher. Die Übergriffe auf die Polizei werden in einem gesonderten Verfahren verhandelt.
Mit großer Rückendeckung der Gemeinde hatte Knaack sich damals dagegen verwehrt, den rechtsextremen Eltern Marc und Petra Müller die Urkunde zu überreichen. „Wir können diese Eltern mit solch einer Erklärung nicht hofieren, während wir versuchen, rechtsextremen Verankerungen entgegen zu wirken“, sagte Knaack der taz. Eine Haltung, die im Landtag über die Parteigrenzen hinweg sehr begrüßt wurde.
Trotz des Widerstandes aus der Lokalpolitik und dem Zuspruch von der Landespolitik hatte der Bundespräsident an der Ehrenpatenschaft, inklusive einem 500-Euro-Geldgeschenk, festgehalten. Per Post wurde der Familie die Urkunde zugesendet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind