■ Über hundert Hundehalsbänder im Jagdschloß Grunewald: Treu durch fünf Jahrhunderte
Über den Beginn der Zivilisation streiten sich die Gelehrten, doch keiner hat eine schönere Theorie als Mr. Geoffrey P. Jenkinson aus Großbritannien: „Zu Beginn der Menschheit ereignete sich folgende Szene: Ein Kind am Rande eines Lagerfeuers legt Gras um den Hals eines jungen Wolfshundes, der von seiner Mutter weggelaufen ist.“ Mit dem aus Grashalmen gebastelten Halsband hält der Knirps das wilde Tier von dem Feuer fern, in das der Wolfshund sich stürzen will. „So begann jedenfalls die Verbindung zwischen Mensch und Hund, die seit Jahrtausenden fortbesteht“, sagt Mr. Jenkinson. Bändigung und Schutz drücke ein Hundehalsband aus, und das habe ihn fasziniert: Er sammelt seit über 20 Jahren Hundehalsbänder. Natürlich nicht gewöhnliche Lederriemen, der vornehme Brite hat sich auf kostbare Prachtexemplare spezialisiert. „Very obscure things“, erklärt Mr. Jenkinson, womit er hundertprozentig recht hat.
179 „of those lovely collars“ aus seiner Sammlung sind jetzt im Berliner Jagdschloß Grunewald zu sehen. Sie stammen meist aus der Zeit zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert. Viele Ausstellungsstücke gehörten sehr berühmten Hunden. Der Bello namens Gunnar war zum Beispiel einer der Schlittenhunde der Antarktis-Expedition von Sir Ernest Shackleton. Seine Kameraden wurden von den Expediteuren aufgefressen, weil die Nahrung ausgegangen war und man in einem Schneesturm steckenblieb. Gunnar, den Star der Schlittenhunde, wagten die gefräßigen Forscher nicht zu verzehren, und deshalb überlebte er. Mr. Jenkinson interessiert sich besonders für die Halsbänder von Adligen, Politikern und berühmten Dichtern.
Das Halsband von jenem Vierbeiner, der Sir Arthur Conan Doyle für seinen Krimi „Der Hund von Baskerville“ Modell stand, ist heute genauso in seinem Besitz wie das Kollier des Fiffis von Charles Dickens. Zu erwähnen ist zweifelsohne noch das Halsband von Chopins Hund aus Leder mit vergoldetem Namensschild.
Zunächst war sich Mr. Jenkinson nicht sicher, ob er seine Schätze der deutschen Öffentlichkeit zugänglich machen soll. Barbara Spindler von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten überzeugte den Zweifler mit den Worten: „There are many dogs in Berlin, there are many dogs in Germany.“ Das ist natürlich kein Argument, denn ob die Besitzer der gemeinen Straßenköter die Kostbarkeiten zu schätzen wissen, ist fraglich. Dabei sind die Dinger doch wirklich wunderbar: Eines der wertvollsten Halsbänder der Ausstellung ist ein Stück aus der Renaissance. Mit Perlen, Gold und Silber ist das Samtband verziert; es war ein Geschenk zur Hochzeit von Bartholomeus Visconti und Philomena Nicoli im September 1488 in Florenz. Zuweilen war es sogar in Mode, Sinnsprüche in die Halsbänder zu gravieren. „Semper fidelis“ steht auf einem geschrieben, wobei sich hier die Frage stellt, wer „immer treu“ war. Der Wauwau dem Herrchen oder umgekehrt? Sehr beeindruckend sind die ebenfalls in Berlin präsentierten pfundschweren Jagdhalsbänder mit eisernen Stacheln, die Hunde vor dem Angriff von Bären zu schützen hatten. Diese martialisch anmutenden Bewegungsbegrenzer erinnern an die Zeit, als Hunde Nutztiere waren und das Tier dem Menschen noch nicht den Sozialpartner ersetzte. Carsten Otte
„Des Menschen bester Freund – Hundehalsbänder aus fünf Jahrhunderten“. Ausstellung im Jagdschloß Grunewald, Berlin. 11. Mai bis 12. Oktober 1997; täglich außer Montag von 10 bis 17 Uhr. Info- Tel.: (030) 813 35 97
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